Test - Dead Island 2 : Test: Was lange währt, wird endlich Blut?
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Exakt 2.300 Zombies schickte ich im sonnigen Los Angeles in den Tod, bevor die Credits über den Bildschirm liefen. In der ehemaligen Stadt der Engel lauern aber noch mehr Gefahren. Beispielsweise altbackenes Questdesign und überholte Mechaniken. Schließlich befand sich Dead Island 2 knappe zehn Jahre in der Entwicklung und durchlitt mehrere Studiowechsel. Es wäre aber nicht das erste Spiel, bei dem unterhaltsames Untoten-Umbringen vor dem Absturz in die Mittelmäßigkeit rettet. Wie also endet der wilde Ritt, den Deep Silver im Jahr 2012 begann?
Die turbulente Entwicklungsgeschichte von Dead Island 2 gleicht fast schon einem Hollywood-Drama. Erstmals stellte Publisher Deep Silver die Zombiegaudi auf der E3 2014 vor, die Entwicklung startete das deutsche Studio Yager (Spec Ops: The Line, The Cycle) aber bereits 2012. Allerdings gingen die Visionen der beiden Firmen zu weit auseinander und so übernahm Sumo Digital 2016 die Produktion. Weil aber aller guten Dinge Drei sind, flog auch das britische Studio aus dem Projekt und es fand mit den Dambuster Studios endlich eine finale Heimat.
Diese Übernahme trieb vielen Zombie-Fans jedoch den Angstschweiß auf die Stirn. Die Spieleschmiede erlangte mit den Time-Splitters-Titeln (noch als Free Radical Design) durchaus einen guten Ruf – und sprengte ihn mit Homefront: The Revolution gekonnt wieder. Allerdings warfen die Entwickler bei Dead Island 2 viele Ideen über den Haufen und nahmen sich durch Verschiebungen scheinbar die nötige Zeit.
Questdesign mit Retro-Anleihen
Dead Island 2 mag über die Jahre viele Federn gelassen und Spielelemente verloren haben, im Kern war aber eine Sache stets klar: Deep Silver will euch einen blutigen Ausflug nach Los Angeles kredenzen, der sich selbst nicht zu ernst nimmt und bei dem Gore an allererster Stelle steht. Das gelingt Dambuster auch bestens. Alleine die Aufgabenstellungen der Hauptstory zeigen, dass die Entwicklung vor längerer Zeit mit diesem Ziel gestartet wurde. Ungelogen, gefühlt jede Mission setzt euch an irgendeiner Stelle das Ziel „Bring sie alle um!“ vor. Das passt natürlich zu einem Zombie-Meuchel-Spiel wie die Axt in den Untoten-Kopf, wirkt bisweilen aber doch sehr uninspiriert. Ganz allgemein verkünsteln die Entwickler sich in der Hauptstory nicht. In den meisten Fällen recht es, möglichst viele Untote zu plätten und brav dem aktuellen Questmarker hinterherzurennen, um das benötigte Objekt zu finden. Aber wie gesagt, perfekt passend für fluffige Tötungsrunden.
Gelegentlich benötigt ihr auch Sicherungen, um Tore zu öffnen oder zu schließen. Dann gilt es, einen abgesteckten Bereich abzusuchen, was meine Definition von „Spielspaß“ nur bedingt trifft, aber etwas Auflockerung bietet. Harte Levelgrenzen in der Mainstory hingegen, von denen werde ich nie ein Fan. Nur an zwei Stellen sah ich mich gezwungen, Nebenquests zu machen, um nicht von kleinen Gammelmobs zermalmt zu werden. Dafür punkten die optionalen Missionen mit spaßigen Aufgaben. Beispielsweise eine Sequenz, in der ich einem Pyrotechniker bei einem D-Day-Filmset helfe, seine Mörser-Explosionen zu testen. Allerdings ziehen sich ein paar Missionen für meinen Geschmack etwas zu sehr in die Länge und schmeißen euch mit zu vielen Gegnern auf einmal zu. Glücklicherweise ist das aber nicht die Regel.
Für eine Influencerin soll ich beispielsweise haufenweise Zombies von einem Dach kicken und ihnen Körperteile abhacken. Das bringt frischen Wind in den Schlächteralltag und regt mich auch mal dazu an, kreativere Ansätze beim Erreichen der Ziele zu verfolgen.
Mein persönliches Highlight stellten aber die Suchmeldungen dar. Bei diesen spürt ihr nicht nur Personen auf, auch vergrabene Schätze wollen entdeckt werden. Dazu geht ihr Hinweisen wie bei einer Schnitzeljagd nach. Beispielsweise findet sich ein Savecode am Pier von Santa Monica „irgendwo bei einer Eisdiele in der Nähe des Riesenrades“, also muss ich genau aufpassen, um das Smartphone mit den benötigten Infos zu finden.
In Sachen Story greift Dead Island 2 das Konzept von The Last of Us und 28 Weeks Later auf. Ihr werdet direkt zu Beginn des Spiels gebissen. Schnell stellt sich aber heraus, dass ihr immun gegen den Virus seid. Heroisch veranlagt wie ihr seid, wollt ihr diese Erkenntnis natürlich dem Allgemeinwohl zugutekommen lassen und bietet eure Gene als Grundlage für einen Impfstoff an. Auf eurer Reise zur Regierung trefft ihr freilich nicht nur auf nett gesinnte Personen, auch fiese Splittergruppen lauern in Los Angeles. Nicht der kreativste Ansatz, aber dank kleinerer Twists unterhielt die Geschichte mich doch ganz gut.
Gemischte Schlächter-Platte
Bevor ihr aber auch nur einen einzigen Schädel spaltet, steht die Wahl eures Charakters auf dem Plan. Sechs Schlächter setzt euch Dead Island 2 vor, aus dem ihr euren Favoriten herauspickt, an den ihr für den Rest des Spiels gebunden seid. Sie unterscheiden sich in Werten wie Zähigkeit, Ausdauer, Beweglichkeit und maximaler Gesundheit, zudem kommt jeder mit zwei einzigartigen Skillkarten daher.
Letztlich handelt es sich dabei um klassische Fähigkeiten, die ihr auf vier Kategorien verteilt in mehreren Slots ausrüstet. Stärkere Konter, explosive Dropkicks und besondere Spezialangriffe stellen nur einen Bruchteil der gebotenen Optionen dar. Auch den Raserei-Modus verstärkt ihr mit ihnen. Die Leiste des besonderen Beserkerzustandes füllt ihr, indem ihr Zombies tötet. Aktiviert ihr ihn schließlich, rastet euer Charakter regelrecht aus und haut mit den blanken Fäusten ganze Fleischstücke aus den fauligen Bewohnern von Hell-A.
Dreht ihr gerade nicht am Rad, bietet sich eine bunte Vielfalt an Prügeln und Klingen, mit denen ihr euch zur Wehr setzt. Mit Rohrzangen, Vorschlaghämmern, Küchenmessern und vielen weiteren Utensilien haut ihr kräftig drauf. Dabei brechen regelmäßig Knochen oder ihr trennt Arme und Beine ab, was nicht nur die Befriedigung niederer Triebe mit sich bringt. Auf nur einem Bein läuft es sich schwer, besonders als blöder Zombie. Ich will nicht lügen, das fachgerechte Erlegen der Gegner triggert definitiv einen simplen Urinstinkt.
Neben Nahkampfprügeln gibt euch Dead Island 2 auch eine kleine Auswahl Schusswaffen an die Hand. Halbautomatische Gewehre, Schrotflinten und Pistolen erweisen sich als sehr nützlich, Munition ist aber freilich rar gesät. Zumindest, bis ihr die entsprechenden Blaupausen zum selber Basteln findet oder beim Händler kauft.
Elementare Entscheidungen
An den Werkbänken fertigt ihr aber nicht nur Munition, ihr wertet eure Waffen auch ordentlich mit zusätzlichen Schadensarten auf. Jeder Zombietyp reagiert anders auf Feuer, Säure, Elektro und stumpfe Schläge, es lohnt sich also zu experimentieren. Je mehr der Biester ihr zurück in die Hölle schickt, umso ausführlich fallen die Informationen im Zombipedia aus. Draufhauen ist also die beste Medizin – wie gesagt, 2.300 Untote fielen mir bisher zum Opfer. Darunter Standard-Exemplare, die langsam herumschlurfen, aber auch größere Versionen. Die Schreier halten euch mit ihrem lauten Organ an Ort und Stelle fest, die Malmer hauen heftig zu und werfen euch mit Schockwellen um. Speziell in der Apex-Form stellen diese besonderen Versionen eine große Bedrohung dar.
Um Upgrades herzustellen, benötigt ihr Baupläne. Dafür gilt es, die Teile zusammenzusuchen, was durch das fehlende Auto-Pickup etwas mühselig ausfällt. Beachten müsst ihr außerdem, welche Waffe mit welcher Erweiterung funktioniert, euer Arsenal will also gut durchgeplant sein.
Entsprechend viel Freude bereitet es dann, sich mit dem Physiksystem auseinanderzusetzen. Mehrere Zombies stehen blöd in einer Pfütze rum? Schmeißt eine Autobatterie ins kühle Nass! Die allseits beliebten roten Fässer neigen nach ein paar Hieben mit einer Feuerwaffe zum Explodieren. In Kombination mit den immer vielfältiger werdenden Skillkarten entwickelt Dead Island 2 eine überraschende Tiefe beim Setbau, die den stumpfen Kern stark aufwertet.
In der Stadt der Engel ist die Hölle los
Viel Wert legen die Dambuster Studios darauf, den Schauplatz Los Angeles als Alleinstellungsmerkmal herauszustellen. So stimmungsvoll umgesetzt wurde die Stadt der Engel wohl nur selten. Ortskundige Redaktionsmitglieder bestätigten mir, dass ikonische Orte wie Venice Beach, Bel Air und Beverly Hills ihren realen Vorbildern durchaus ähnlich sehen, auch ohne eine Eins-zu-Eins-Nachbildung zu bieten.
Wo früher rauschende Feste gefeiert wurden, zeigen sich mit Blut beschmierte Wände, eine ehemalige Influencer-Villa fungiert in Hell-A als Lager für hipp angezogene Untote. Die letzten Überlebenden triefen vor Klischees und überzogenem Humor, der die Scheinwelt der Stadt stärker ins Visier nimmt als ich ihre zombifizierten Bewohner.
Das von Dad Island 2 verbreitete Urlaubsfeeling ist also über jeden Zweifel erhaben. Die langen Laufwege fallen dadurch entsprechend nicht mehr so stark ins Gewicht. Ihr rennt teils mehrere Minuten von A nach B, die Schnellreise lässt euch immerhin zwischen den großen Gebieten wechseln. Allerdings schaltet ihr sie erst ziemlich spät frei.
Erkundung belohnt Dead Island 2 durchaus, greift dabei aber gelegentlich zum Holzhammer. Immer wieder trefft ihr beispielsweise auf verschlossene Safes und Türen, für die ihr beispielsweise den „Schlüssel des Postboten“ braucht. Den guten Briefträger fand ich letztlich aber nur durch einen Zufall - nach den Schlüsselhaltern suchen ist nur selten von Erfolg gekrönt.
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Nichtsdestotrotz zeigt sich die Umsetzung von L.A. wahrlich von ihrer stimmungsvollen Seite. Ich für meine Teil hatte zudem Sorge, dass Dead Island 2 durch die lange Entwicklungszeit ein hässliches Entlein sein könnt. Grafisch befindet sich das Spiel sicherlich nicht auf Nextgen-Höhe, man darf aber nicht vergessen: Es erscheint auch auf Playstation 4 und Xbox One. Zumal es stets flüssig läuft und auch immer hübsch anzusehen ist. Für die Uncut-Fans sei noch erwähnt: Die USK-Fassung von Dead Island 2 kommt mit einem Einschnitt, ihr dürft besiegte Zombies nicht noch weiter zerlegen. Sonst müsst ihr aber auf kein blutiges Detail verzichten.
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