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Test - Castlevania : Brutal und bissig - Netflix-Serienkritik

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Netflix hatte in jüngster Vergangenheit ein gutes Händchen beim Erwerb zugkräftiger Serienlizenzen und beim Erstellen neuen Materials. Comics werden bereits hervorragend adaptiert. Warum sollte das nicht mit Videospielvorlagen funktionieren? Mit der Zeichentrickserie Castlevania aus der Lizenzgrube von Konami soll nun die Zielgruppe der Videospielfans geködert werden. Erwachsene Spieler wohlgemerkt, denn dank Gore und derber Sprache ist diese Serie nichts für Kinder.

Huch, schon vorbei? Gerade mal vier Episoden zu je zwanzig Minuten umfasst die erste Staffel der neuen Castlevania-Zeichentrickserie auf Netflix. Die Zeit vergeht angesichts des Unterhaltungswerts wie im Flug, so viel sei vorab versprochen. Aber die angesetzten Qualitätsstandards lassen noch jede Menge Raum für Verbesserungen, insbesondere was die Animationen angeht, denn die wirken gelegentlich ziemlich abgehackt und in ihren Abläufen unbeholfen.

Nach einem kurzen Blick auf Standbilder könnte der eine oder andere schnippisch entgegnen, das sei bei Animes ganz normal. Tia, nur geht es hier nicht um einen fernöstlichen Zeichentrickstreifen. Lediglich die Art der Zeichnungen bedient sich bei gängigen Stilmitteln japanischer Produktionen und den Vorlagen von Castlevania-Konzeptzeichner Ayami Kojima. Produziert wird hingegen in Texas. Wer hätte das gedacht?

Sei es drum, wichtig ist letztendlich die Erzählung, und die hat es in sich. Als grobe Vorlage dient die Handlung des NES-Klassikers Castlevania 3: Dracula's Curse, die sowohl in der Einführung als auch im Verlauf stark erweitert wird. Und zwar so intensiv, dass der Zuschauer eine ungewohnte, ja, geradezu gespenstische Sympathie für den Antagonisten entwickelt. Achtung, leichte Spoiler voraus!

Dolch, Peitsche und viel Potenzial

Die erste Folge widmet sich ganz dem mächtigen Vampir Vlad Dracula Tepes und seinen Motivationen. Wir schreiben das 15. Jahrhundert Anno Domini. In seinem gigantischen Schloss inmitten der Ödnis der Walachei in Rumänien empfängt der dunkle Blutsauger ungewöhnlichen Besuch, denn eine wissensdurstige, ihm gegenüber respektvolle, aber doch schnippisch aufgeweckte Frau namens Lisa überwindet all ihre Ängste in der Hoffnung, vom Grafen in die Lehren der hohen Wissenschaft eingeführt zu werden.

Ihre Furchtlosigkeit, ihre moralische Reinheit und ihr Wille, angeeignetes Wissen zum Wohle der noch immer sehr barbarischen Menschheit einzusetzen, überrumpeln Dracula auf der Stelle. Er verliebt sich in die junge Ärztin und heiratet sie. Sie bleiben aber nicht dauerhaft zusammen, da Lisa in Zukunft als Heilerin praktizierend durch die Lande reist.

Zwei Jahrzehnte später wird sie von der Kirche wegen angeblicher Hexenpraktiken auf dem Scheiterhaufen verbrannt, was der dunkle Lord erst mitbekommt, als es längst zu spät ist. Dracula projiziert seinen Zorn auf die gesamte Menschheit und gibt ihr ein Jahr Zeit zur Besinnung. Danach droht er, alle Menschen auszulöschen.

Ab diesem leicht klischeebeladenen, aber emotional nachvollziehbaren Ausgangspunkt wird die Geschwindigkeit der Erzählung stark gedrosselt und konzentriert sich auf die Exposition mehrerer Fraktionen. Allen voran geht die Kirche, die von Bischöfen, Priestern und erstaunlich gewaltbereiten Dienern vertreten wird. Das Volk in den Städten der Walachei vertraut den Klerikern in der Hoffnung auf Erlösung, muss mangels besseren Wissens aber auch dabei zusehen, wie die Bischöfe des Landes Draculas Drohungen ignorieren.

Der Kirche wie auch Dracula gegenüber steht der letzte Ahne der exkommunizierten Belmont-Familie. Trevor Belmont bevorzugt die Einsamkeit, zieht trunken von Kneipe zu Kneipe und hält seinen Familiennamen unter Verschluss, obwohl seine Vorfahren einen guten Ruf als Monsterjäger haben. Aufgehetzt durch die Kirche ist das einfache Volk den Belmonts nicht mehr besonders wohlgesinnt.

Dem Protagonisten ergeht es somit ähnlich wie der dritten Fraktion, den sogenannten Sprechern, die ihre magischen Fertigkeiten verbergen müssen, denn alle nichtkirchlichen Wissensträger stehen unter Verdacht, für das Aufblühen der durch Dracula verursachten Plagen und Monster verantwortlich zu sein. Ganz schön blasphemischer, wenn nicht gar kirchenfeindlicher Stoff für eine texanische Produktion.

Über welche Umstände diese vier Parteien ihren Konflikt austragen, wird an dieser Stelle nicht verraten, aber so viel sei gesagt: Hier und da schimmert ein ganz leichter Game-of-Thrones-Einfluss durch, der noch begrüßenswerter wäre, wenn die Figuren nur nicht so flach wirken würden. Trevor Belmont beispielsweise ist ein Badass wider Willen, fast schon ein Antiheld. Zumindest im Originalton schnoddert er seine Sätze gerne in einem Mischmasch aus gleichgültigem Gemurmel und neunmalklugem Besserwissertum.

Tolle Originalsprecher und gekonnt verknüpfte Dialoge machen aus der Vorlage weit mehr, als der ernste Zeichenstil verspricht. Humor kommt jedenfalls nicht zu kurz, wenn man genau hinhört. Schade, dass die deutsche Synchronisation diesen wichtigen Ansatz in Trevors Wesen in sämtlichen Belangen torpediert: zu laut, zu plump, zu schnell. Mehr Feingefühl beim Einsprechen wie auch beim Übersetzen der Vorlage wäre wünschenswert gewesen.

Mehr Tiefe, bitte!

Sieht man von den eingangs erwähnten stotternden Animationsphasen bei geschätzten 10 bis 15 Bildern pro Sekunde ab, so scheuten die von Netflix beauftragten Produzenten weder Kosten noch Mühen, egal ob bei den Zeichnungen, beim Drehbuch oder beim Ausarbeiten der Figuren. So manches erinnert an eine Realfilmproduktion.

Als Held der Geschichte tut Trevor das Gute und Richtige, aber Faulheit, Opportunismus und eine gewisse Tollpatschigkeit gehen den guten Taten voran. Eine köstliche Angelegenheit, die leider viel zu kurz erforscht wird. Sobald man das Gefühl hat, einen Draht zu ihm zu bekommen, schwenkt die Handlung zum nächsten Schauplatz, statt weiter auf Motivation und Herkunft einzugehen. Sehr schade! Hier wurde viel Potenzial verschenkt, an dessen Stelle ein paar eher unbeholfen animierte Action-Einlagen treten, die höchstens verdeutlichen, wie derbe das Szenario angelegt wurde.

Tritte ins Gemächt, derbes Vokabular und eine Portion Gore aus der einfachen Horrorküche helfen zwar, die Stimmung der Erzählung zu verdichten, nicht aber, ihr Tiefe zu verleihen. Lob sei trotzdem im Namen der Fans der gleichnamigen Videospiele ausgesprochen, denn die Serie hält sich ohne Ausreißer an wichtige Grundpfeiler der Vorlage, sei es bei der Bewaffnung des Helden, der Art der Monster in Draculas Armee oder der Rolle der Nebenfiguren, mit denen Trevor es zu tun bekommt. Bricht man alles auf reine Fakten herunter, so findet das Drehbuch einen hervorragenden Kompromiss zwischen Vorlagentreue und Auswalzen eines Dreieckkonflikts, der die Zeit bis zum Showdown mit Dracula ordentlich zu strecken vermag.

Viele Videospieladaptionen versteifen sich auf den Kampf des Helden gegen den großen Bösewicht, versuchen gar den Antagonisten in unerreichbare Sphären zu heben mit dem Ziel, den Triumph über das Böse als außergewöhnliche Heldentat hervorzuheben. Quasi Mensch gegen Übermensch oder Mensch gegen Gott. Bei Castlevania geschieht genau das Gegenteil. Obwohl Dracula über mächtige Kräfte und ein reisendes Schloss verfügt, ist er nicht das Zentrum alles Bösen. Das Böse befindet sich überall in Form von Dummheit, Vorurteilen und blankem (Aber-)Glauben. Die Welt ist vielschichtig und stellt den Zuschauer vor so manche (nicht übermäßig komplexe) Gewissensfrage.

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