Test - Bayonetta : Die What-the-fuck-Hexe prügelt endlich auf dem PC
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Besser spät als nie. Kaum jemand rechnete acht Jahre nach der Veröffentlichung des Xbox-360-Originals noch mit einer PC-Umsetzung des wahrscheinlich längsten WTF-Moments der Videospielgeschichte. Anno 2017 vermag Bayonetta die Kinnlade der Spieler zwar nicht mehr ins unterste Stockwerk absacken zu lassen, doch die Frage, welche Drogen die Spieldesigner einnahmen, wird mit Sicherheit noch immer tausendfach gestellt werden.
Fragen über Fragen. Ob ihr nun spielt oder jemand anderem beim Spielen zuschaut, macht keinen Unterschied: Ihr werdet Antworten auf etliche ungeklärte Fragen des Designs suchen. Warum schießt Bayonetta aus ihren High Heels? Wie zur Hölle bringt sie ihr Haar dazu, die Form eines Mutantenmonsters anzunehmen? Und in welchem Magen verdaut dieses Monster die Gegner, die es auffrisst? Warum trägt die Hauptdarstellerin ein verführerisches Bibliothekarinnen-Outfit und lutscht fast schon unschuldig an Lollis, wenn sie im gleichen Moment jedem Gegner völlig respektlos über den Mund fährt?
Es ist sinnlos, ernsthaft über solche Kleinigkeiten nachzudenken. Im Glanz des tadellos japanophilen Designs verkommt jede Logik zum lästigen Klotz am Bein. Ist doch völlig egal, wie Sexy Hexy Bayonetta es schafft, den Abzug an ihrer High-Heel-Gun zu ziehen. Hauptsache, sie tut es. Und sie vermag es sogar mit Stil und Grazie.
Es erinnert an ein fein choreographiertes Ballett, wenn sie Engeln, Höllenhunden und monströsen lebendigen Statuen Faust und Bein in die Kauleiste rammt, zwischendrin Flickflacks ausführt und an einem Speer festhaltend Pirouetten dreht. Nein, niemand sonst in der Gaming-Welt lässt Knochen so elegant bersten wie diese in Leder gehüllte Hexe, deren kecke Attitüde derart überspitzt ist, dass man sich manchmal vor Lachen kaum noch auf dem Stuhl halten kann.
Hexenzeit
Überspitzung ist ein gutes Stichwort, denn es bringt jede Facette dieses Spiels auf den Punkt. Inhaltlich mag es über zwei Ecken mit Devil May Cry verwandt sein, doch die Art der Präsentation ist erheblich schneller, turbulenter, witziger und knalliger als bei der genannten Serie aus dem Hause Capcom. Beginnend bei der Rahmenhandlung, die einen seit Jahrtausenden anhaltenden Konflikt zwischen den drei Reichen der Erde beschreibt. Der Himmel – genannt Paradiso, kämpft auf Erden gegen die Hölle, ohne dass die Menschen es mitbekommen.
Das Seemannsgarn, das unter Segas Flagge aufgetischt wird, ist Teil eines derart sinnlosen, im Anime-Stil erzählten Actionfests, dass jeder Versuch, es ernst zu nehmen, in völliger Verwirrung ausartet. In einem Anfall überschwappender Blasphemie wird jedes religiöse Grundgefühl christlicher Natur mit einem stinkenden Putzlappen vom Boden gewischt. Ja, Bayonetta ist provokativ, ohne echte Kritik aufzufahren, versteift sich gar darauf, wirklich nur ein Spiel mit einer beliebigen Handlung sein zu wollen, erdreistet sich gleichzeitig aber, es mit Gott höchstpersönlich aufnehmen zu wollen. Köstlich!
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