Test - Assassin's Creed Origins: Curse of the Pharaos : Das Ende vom Anfang
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Kommen wir gleich zum Punkt: Für das Finale der Origins-Geschichte von Assassin's Creed schöpft Ubisoft nochmal so richtig aus dem Vollen. War der erste DLC The Hidden Ones weitestgehend lediglich ein Aufguss all dessen, was das Hauptspiel schon im Überfluss bot, setzt die zweite Erweiterung The Curse of the Pharaos dem Abenteuer von Bayek einen spektakulären Schlusspunkt.
Ein Fluch sucht Ägypten heim. Die Dämonen alter Pharaonen erheben sich aus ihren Gräbern und versetzen das Land in Angst und Schrecken. Beim Versuch, ihrem Treiben Einhalt zu gebieten, reist Bayek nicht nur in neues Gebiet, der Stadt Theben und dem angrenzenden Tal der Könige, sondern sogar bis ins Totenreich der ägyptischen Mythologie, um sich den gottgleichen Herrschern im Zweikampf zu stellen …
Der Tod steht ihm gut
Im vorherigen DLC The Hidden Ones lautete der vorherrschende Eindruck noch: „Braucht das wirklich irgendjemand?“ Nach unzähligen bereits im Hauptspiel geräumten Festungen, Soldatenlagern, Nilpferdnestern, Türmen, Gräbern und Steinkreisen enthielt die Erweiterung in erster Linie: mehr vom Gleichen. Zudem in großen Teilen aus exakt denselben grafischen Bausteinen zusammengesetzt, denen man im Hauptspiel schon mehr als genug über den Weg gelaufen war. Die gleichen Felsen, Statuen, Palmen und Dünen, die man andernorts bereits zuhauf gesehen hatte. Angesichts des gewaltigen Umfangs von Assassin's Creed Origins, den sich vermutlich bis heute die Wenigsten zu 100 Prozent erschlossen haben, stellte sich unweigerlich die Frage, ob davon irgendjemand noch ernsthaft mehr verlangt.
The Curse of the Pharaos, die zweite und letzte Erweiterung im Season Pass von Assassin's Creed Origins, beantwortet diese Frage von der ersten Minute an mit einem nicht zu überhörenden: Ja! Hier ist alles neu, schön, riesig und macht einfach Spaß. Zwar wurde auch die neue Region in und um die antike Metropole Theben und das Tal der Könige teilweise aus bereits bekannten Grafik-Assets erbaut, doch auf eine Weise, die frisch und vor allem: beeindruckend wirkt. Die Assassin's-Creed-Reihe war schon immer nur bis zur Hälfte ein Spiel. Zur anderen Hälfte war sie eine Erfahrung von Landschaft, Raum und Zeitgeschehen und lange nicht mehr wurde sie diesem Credo derart gerecht wie hier.
Theben als Stadt ist ein einziger Hort an Bombast, der selbst die pompöse Architektur des Hauptspiels bisweilen übertrifft. Atemberaubend riesige Tempelanlagen schmücken sich von innen auf verschwenderisch schöne Weise mit säumenden Statuen, Blumenarrangements und Fackellicht, von außen wirken sie wie aus Marmor gehauene Monumente für die Ewigkeit. Vor der Stadt erstreckt sich die Nekropole mit ihren Dutzenden kleiner Pyramiden, die sich in den Hang schmiegen und ins Tal der Könige geleiten – ein beeindruckender Schlund im Boden aus Staub und Grabmälern, der bis hinab ins Totenreich führt.
Und dieses Totenreich erst: Ubisoft lässt sich nicht dazu hinreißen, das Jenseits als die Lavahölle der christlichen Folklore zu imaginieren oder als düsteres Höhlenlabyrinth wie in der griechischen Mythologie. Stattdessen ist die Welt der Verstorbenen geschaffen als trügerische Idylle eines Paradieses, das dem Leben im Diesseits ein unwirklich verzerrtes Abbild ist: ein üppiges Weizenfeld im freundlichen Licht eines surrealen Himmelskörpers kurz vor der Sonnenfinsternis, eine majestätisch schimmernde Palastlandschaft, und dazwischen Kornkammern, Häfen und Brauereien, in denen die Verblichenen einem Alltag nachgehen, der den Schein wahrt, sie seien immer noch am Leben, während das Umland mit seinen Riesenskorpionen und hundsköpfigen Wächtern das Gegenteil behauptet.
Trotz seines Fantasy-Einschlags ist Curse of the Pharaos nicht das im Vorfeld möglicherweise erwartete Trash-Schaulaufen der Mumien und Monster aus dem Kuriositätenkabinett der B-Horror-Mottenkiste, auch nicht das überdrehte Pendant zu den Zombie-DLCs der Call-of-Duty-Reihe. Stattdessen zeigt sich Ubisoft auf angenehme Weise geerdet, verträumt und hoffnungsvoll, bleibt seinem großen Respekt vor der ägyptischen Kultur und Geschichte treu und vermeidet es bewusst, diese ins Alberne oder Reißerische zu zerren.
Fast schon ein vollwertiges Spiel
Auch spielerisch holt Der Fluch der Pharaonen noch ein letztes Mal zum Rundumschlag aus: Die zahlreichen Haupt- und Nebenmissionen in der Ober- und Unterwelt ähneln selbstverständlich im Ablauf weitgehend denen im Hauptspiel, doch indem sie den Spieler auf Erkundungstour durch angenehm andersartige Landschaften schicken, macht man gerne für sie den Laufburschen – auch weil man weiß, dass man mit jeder absolvierten Quest dem wehmütigen Ende von Bayeks Reise ein Schrittchen näherkommt.
Doch auch abseits der bekannten Routine aus Missionen, Orten und Sammelbarem gibt sich Ubisoft sichtlich Mühe, die Zwischenräume des DLC mit Inhalten auszustopfen, die auch über das Ende des mit etwa 20 Stunden erstaunlich langen Storyfadens hinaus mit Beschäftigung locken. So gibt es diesmal statt den besonders fordernden Elefantengegnern aus dem Hauptspiel fünf mythische Riesenskorpione, die auch nach Erreichen des neuen Maximallevels von 55 noch Zähneknirschen bereiten.
Apropos Zähneknirschen: Die neuen Bosse haben es in sich und machen ihrer Natur als Halbgötter alle Ehre. Hierbei orientiert sich Ubisoft noch mehr als schon im Hauptspiel an dem Vorbild, für das sich der Entwickler schon Inspiration fürs Kampfsystem holte: Dark Souls. Und das durchaus auch in Sachen Schwierigkeitsgrad. Wer das Repertoire aus mechanisch abgespulten Angriffs- und Ausweichmustern von Nofretete, Echnaton, Tutanchamun und Co. nicht ausgiebig studiert und seine Attacken perfekt darauf abstimmt, sieht sich schnell im Jenseits wieder – wäre man nicht ohnehin schon dort.
Gleichwohl wird der hohe Schwierigkeitsgrad spielerisch auf etwas unbeholfene, fast schon dilettantisch zu nennende Art und Weise erzeugt. So sind die Bewegungsmuster der Bossgegner in der Regel extrem simpel gestrickt und leicht zu durchschauen. Dass die Kämpfe dennoch zur Weißglut treiben können, liegt einzig und allein an dem unverschämt hohen Schaden, den die Gegner austeilen und einstecken. Die größte Herausforderung besteht folglich darin, im mehrere Minuten andauernden Wirbeln umeinander nicht die Konzentration zu verlieren – denn ein einziger Fehler bedeutet in den meisten Fällen schon den Bildschirmtod.
Umso erstaunlicher ist es, wie viel Spaß die Kämpfe trotzdem machen, eben weil man beim Scheitern genau weiß, dass es allein der eigenen Nachlässigkeit und Ungeduld geschuldet ist. Entsprechend hoch ist die Motivation, es gleich nochmal zu versuchen – nur um dann einen anderen dummen Fehler zu begehen ...
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