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Special - Kommentar: Ubisoft bläst zum Angriff : Digitale Zwangsjacke für Ubisoft-Spiele

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Die Angst vor Raubkopien und dem Ende der Kreativwirtschaft ist bei Weitem keine Erscheinung des digitalen Zeitalters. Schon Ende der 70er-Jahre befürchtete die Musikindustrie, dass die Branche kurz vor dem Ende stehe. Der Grund waren Leerkassetten, auf die sich jeder Inhalt schreiben ließ - neben dem eigenen kreativen Erguss auch urheberrechtlich geschützte Werke. Und doch ist es so, dass die Diskussion vor allem mit der Verbreitung des Internets so richtig an Fahrt aufgenommen hat.

Nach und nach schien sich in den Köpfen der Kreativbranche aber festzusetzen, dass ein aggressiver und hartnäckiger Kopierschutz in erster Linie dem ehrlichen Käufer schadet. Unvergessen bleibt Sonys „Rootkit" auf Musik-CDs. Eine Software, die sich vor neugierigen Blicken der Nutzer tarnen konnte, aber potenzielle Sicherheitslöcher aufriss wie in einem Schweizer Käse. Instabilitäten und mögliche Datenverluste waren da fast nur noch Randerscheinungen. Sony reagierte, veröffentlichte ein Tool zur Entfernung des Rootkits und verzichtete infolge auch auf die weitere Verwendung.

Bei Spielen setzt mancher Publisher mittlerweile quasi nur noch auf eine „Basisversion", meist bestehend aus dem SecuROM-Kopierschutz und einer CD-Key-Abfrage. Andere stülpen noch das Modell einer begrenzten Anzahl von Installationen darüber - wer mehr will, muss sich an den Publisher wenden. Oder aber man hebelt den Mechanismus - wie die Raubkopierer meist schon seit oder gar vor dem Veröffentlichungstag - gleich aus, mit der Konsequenz, sich strafbar zu machen, aber ohne Einschränkungen bei der Nutzung der Software leben zu können.

Angesichts der harschen und zunehmenden Kritik der Spieler an DRM-Maßnahmen (digitales Rechte-Management) entschied sich der französische Publisher Ubisoft im Jahr 2008 dazu, bei der Veröffentlichung von Prince of Persia für den PC auf einen Kopierschutz zu verzichten - ein Test, der offenbar nicht zufriedenstellend verlief. Ein Statement mit Verkaufszahlen zu dem Probelauf fehlt bis heute, stattdessen verkündete man Ende Juli 2009, dass der Umsatz im vergangenen Geschäftsjahr um mehr als 50 Prozent sank. Eine Folge der Piraterie, unter anderem auf dem PC, stellte man fest und versprach im selben Zuge, ein Tool zu entwickeln, um das Problem endlich zu mindern. Das Ergebnis präsentiert man erstmals in den am 04. März 2010 erscheinenden Titeln Silent Hunter 5 und Assassin's Creed II. Die meisten Ubisoft-Spiele sollen in Zukunft auf die „Online Services Platform" setzen. Bei näherer Betrachtung verspricht die aber eine völlig neue Dimension der Gängelung ehrlicher Käufer.

Warum? Weil tatsächlich eine permanente Internetverbindung während der gesamten Phase des Spielens vorausgesetzt wird. Zuvor war das Internet nur erforderlich, um ein Spiel vor dem ersten Start zu verifizieren - und auch das war heftig umstritten. Anschließend konnte man das Produkt aber zumindest auch offline nutzen. Wer das bei künftigen Ubisoft-Titeln versucht, schaut in die Röhre. Ganz so schlimm sei das natürlich alles nicht, versucht man in einem englischsprachigen FAQ zu beschwichtigen. Schließlich, wie es auch schon der Name sagt, ist es ein „Service". Das Spiel kann beliebig oft installiert werden, es muss kein Datenträger während des Spielens eingelegt sein und Spielstände werden sowohl auf dem eigenen PC abgespeichert als auch auf den Ubisoft-Servern.

Unter dem Namen „Steam Cloud" bietet die Online-Distributionsplattform von Valve ebendieses Feature ebenfalls seit Längerem an und trotzdem funktionieren Spiele auch im Offline-Modus. Erst bei vorhandener Internetverbindung synchronisiert Steam die Speicherdaten mit dem Cloud-Service. Praktisch, wenn man unterwegs Zugriff zum World Wide Web hat und das Spiel an der letzten Position weiterzocken möchte, an der man zu Hause aufgehört hat. Unpraktisch, wenn man sich in einer Gegend aufhält, in der man gerade keinen Zugang zum Internet hat. Schließlich funktioniert das Spiel ja auch nicht, wenn man seine Speicherdateien vorher auf den Laptop kopiert hat. Und überhaupt: Was ist, wenn das Netz zu Hause mal nicht verfügbar ist? Gerade umgezogen? Anbieterwechsel? Limit des Datentarifs erreicht? Nur Modem oder ISDN? Pech gehabt!

Aber nicht nur die dauerhafte Verbindung zum Internet ist an dem System so pikant. Wer bisher auf digitale Inhalte verzichtet hat, um ein Spiel weiterverkaufen zu können, wird wegen der Verknüpfung des Spiels mit einem Ubisoft-Nutzer-Account auch auf diese Option verzichten müssen. Das Konto sei personengebunden und beinhalte persönliche Daten, sodass ein Verkauf nicht möglich sei. Ob das dann auch in der Realität der Fall sein wird, bleibt abzuwarten. Ein kurzer Blick in ein bekanntes Online-Auktionshaus fördert etliche Steam-Konten zu Tage, die ebenfalls personengebunden und eigentlich nicht für den Verkauf konzipiert sind.

Bedenklich sei das System hinsichtlich des Datenschutzes nicht - ob man darauf vertraut, ist eine andere Sache. „Wir respektieren Ihre Privatsphäre und werden nur Informationen für neue Services und die Funktionsfähigkeit des Spiels abrufen. Es werden keine versteckten Programme oder Überwachungstools installiert." Und technisch solle man keine Einschränkungen verspüren, die die Geschwindigkeit oder die Stabilität des Systems negativ beeinträchtigen würden. Während des Spielens laufe nur ein Prozess mit, der die Speicherstände mit dem Internet an bestimmten Stellen synchronisiere und nach dem Beenden noch mal die Speicherdaten mit denen auf dem Server abgleiche.

All das muss sich im Praxistest noch beweisen und wird vor allem von technisch versierten Nutzern genauestens beäugt werden. Fakt ist aber schon jetzt: Jedes zusätzliche und möglicherweise nicht sauber programmierte Tool öffnet Lücken auf dem System, und die damit erhobenen Daten können Begehrlichkeiten wecken.

Um es noch mal in aller Deutlichkeit zu sagen: Dieses System ist ein komplett falsches Signal in der Branche, das dem PC als Spielplattform weit mehr schaden könnte als Raubkopierer. In Zeiten, in denen noch nicht jeder immer und zu jeder Zeit online ist, kann man nur die Verzweiflung im Kampf gegen illegale Kopien erahnen. Mit gesundem Menschenverstand ist diese Entscheidung nur schwerlich zu verstehen.

Aber statt sich einen ständigen Wettlauf mit „Crackern" zu liefern, die bis jetzt noch jeden Kopierschutz aushebeln konnten, hätte man seine Bemühungen besser darin investieren sollen, den Spielekauf attraktiver zu gestalten. Ob günstigere Preise, Sammlereditionen oder nicht aus dem Spiel herausgeschnittener Download-Content mit echtem Mehrwert, coole Vorbesteller-Goodies - die Möglichkeiten sind vielfältig und werden von anderen Firmen mit einigem Erfolg praktiziert. Ohnehin scheint man bei Ubisoft nicht wirklich überzeugt zu sein. In der FAQ blickt man schon mal voraus und verspricht bei der Einstellung des Services, einen Patch nachzuliefern.

In aller Fairness muss man aber auch sagen: Obwohl der PC als Spielplattform in den vergangenen Jahren stark an Bedeutung verloren hat, bietet Ubisoft zu den allermeisten Titeln auf den stationären Konsolen auch entsprechende Fassungen für den Computer an. Mehr noch: Titel wie Silent Hunter oder Die Siedler gibt's exklusiv nur für den PC.

Das bedeutet allerdings noch lange nicht, dass man als PC-Spieler alles schlucken und sich derartig enteignen lassen sollte. Zähneknirschend hat man schon Online-Aktivierungen, begrenzte Anzahl von Installationen und tiefe Eingriffe in das System akzeptiert. Es muss auch kein Spiel komplett ohne Kopierschutz ausgeliefert werden. Ab einem gewissen Punkt muss man aber einfach sagen: Jetzt reicht's! Und dieser Punkt ist meiner Meinung nach mit der „Online Services Platform" von Ubisoft erreicht.

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