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Test - The Walking Dead: Michonne : Episode 1: In Too Deep

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Während die dritte Staffel von The Walking Dead noch auf sich warten lässt, liefert Telltale Games mit Michonne eine dreiteilige Miniserie, um die Vorfreude anzuheizen. Die Hauptfigur basiert zwar auf der Comic-Variante der verschlossenen Heldin, ist aber natürlich auch bei Fans der Fernsehserie äußerst beliebt. Gelingt es Telltale, einen etablierten Charakter als Spielfigur gut einzufangen? Und greift die bekannte Dramaturgie im verkürzten Format genauso gut?

Fans der Comic-Serie erfahren im Spiel, was Michonne zwischen Ausgabe #126 und #139 während ihrer Abwesenheit so getrieben hat. Vorkenntnisse aus den Comics sind keineswegs notwendig, da die Abenteuer für sich alleine stehen. In der kurzen Einleitung spaltet unsere Heldin nicht nur sehr explizit Zombies, sondern kämpft auch auf wenig subtile Weise mit ihren inneren Dämonen. Das ist offenbar die Seite der Katana-Kämpferin (hier wegen der Comics allerdings mit Machete), die Telltale uns möglichst von Beginn an präsentieren will: nur äußerlich tough, aber innerlich arg zerrissen.

Wenig später finden wir uns in einem Szenario wieder, das in einer Zombie-Apokalypse durchaus Sinn hat und beispielsweise in der Fernsehserie unterrepräsentiert ist: auf dem Wasser, auf einem Schiff. Nach dem bekannten Quick-Time-Stakkato aus dem Intro, das rasanter denn je inszeniert wurde, habt ihr kurz Zeit zu verschnaufen und euch umzuschauen. Auch diese Erkundungspassagen sind Telltale-Veteranen vertraut, doch mehr, als einige Gespräche zu führen und Gegenstände und Umgebungen zu untersuchen, ist nicht drin. Einmal alles brav durchgeklickt, dann geht es weiter.

Gut gesprochen

Gelobt werden muss wieder einmal die Arbeit der Sprecher. Michonne wird zwar nicht von Seriendarstellerin Danai Gurira gesprochen, aber Samira Wiley („Orange is the New Black“) vertritt sie mehr als würdig. Der Charakter ist zudem entsprechend passend geschrieben und bietet euch selbst dann viel Wiedererkennungswert, wenn ihr nur Fans der Fernsehserie seid. Schauderhaft ist hingegen die deutsche Textübersetzung (deutsche Sprachausgabe gibt es keine). Während die Dialoge noch einigermaßen brauchbar übersetzt wurden, sind manche der Interaktionsmöglichkeiten derart entstellt, dass man kaum noch weiß, was man da eigentlich auswählt.

Ab der Hälfte zieht die Story deutlich an. Das ist bei einer Länge von rund anderthalb Stunden aber auch dringend notwendig. Wenn man bedenkt, dass lediglich zwei weitere Episoden folgen, so passiert im Auftakt insgesamt relativ wenig. Wieder einmal geratet ihr unfreiwillig in den Konflikt zweier Parteien und müsst mit List und Überredungskunst einen Weg aus dem Schlamassel finden. Die Konstellationen zwischen den Figuren und deren Archetypen wirken für „The-Walking-Dead“-Veteranen allesamt schon einen Tick zu vertraut. Wir hatten das Gefühl, das alles schon in ähnlicher Form mit anderen Charakteren gesehen zu haben.

Immerhin bewahrt Telltale die Stärke der Reihe, indem man versucht, typische Schwarzweißmalerei gekonnt auszuhebeln. Das vermeintlich arme Teenager-Mädchen lügt in Wahrheit vielleicht wie gedruckt. Und hat der angebliche Bösewicht etwa doch bessere Gründe für sein Handeln, als wir zuerst denken? Die Charaktere sind in ihren Ansätzen interessant, aber die kurze Spieldauer erlaubt nicht viel mehr als eine Skizzierung. So fiel die emotionale Betroffenheit beim obligatorischen Drama zumindest bei uns deutlich geringer aus, als sie hätte sein können.

The Walking Dead: Michonne - Episode #1: In Too Deep Launch Trailer
Anlässlich der Veröffentlichung der ersten Episode von The Walking Dead: Michonne namens "In Too Deep" gibt es hier den passenden Launch-Trailer.

Das alte Telltale-Problem

Technisch bekommt ihr genau das serviert, was ihr von Telltale wahrscheinlich schon erwartet habt. Auch wenn anscheinend noch einmal an den Animationen gefeilt wurde, so stößt die Engine doch seit einiger Zeit an ihre Grenzen. Die musikalische Untermalung ist eine der Stärken der Telltale’schen Kunst, und so finden sich auch hier wieder einige tolle Stücke. Allerdings ist uns ein gewisses Recycling von vorhergehenden Staffeln aufgefallen.

Gerade wenn die Spannung am Höhepunkt ist, endet die erste Episode auch schon wieder. Das überrascht kaum, macht dann aber doch ordentlich Lust auf die nächste Folge. Die schafft es hoffentlich, mehr aus den bekannten Mustern auszubrechen, und nimmt sich mehr Zeit, die Geschichte auszubreiten, ehe der finale Akt folgt. Speziell die Antagonisten haben Potenzial, zu vielschichtigeren Charakteren ausgeformt zu werden. Doch die erste Episode hat dies (vielleicht bewusst) nur angedeutet.

Fazit

Markus Rohringer - Portraitvon Markus Rohringer
Solider, aber etwas uninspirierter Start

Vielleicht bin ich auch nur zu verwöhnt vom rasanten Tempo und Witz von Tales from the Borderlands, aber insgesamt hat mich die erste Episode ein wenig enttäuscht. „Solide“ ist im Gaming-Jargon ja schon quasi eine Beleidigung, aber genau das trifft meiner Meinung nach auf das Spiel zu. Natürlich hat es Telltale nicht über Nacht verlernt, wie man eine gute Story oder Dialoge schreibt, aber für offene Münder hat die Episode ebenfalls nicht gesorgt. Da hoffe ich auf mehr Mut und Kreativität im nächsten Teil. Bei nur drei Episoden bleibt nicht viel Platz für die Entfaltung der Story übrig. Umso unverständlicher ist die selbst für Telltale-Verhältnisse kurze Dauer.

Michonne wurde aber gut eingefangen und mit ihr fühlt sich das Schweigen als Antwortmöglichkeit bei den Dialogen zum ersten Mal richtig an. Die typischen Kritikpunkte an der Telltale-Formel sind natürlich wie immer angebracht: Außer Quick-Time-Events und Dialogoptionen gibt es kaum spielerische Elemente und Entscheidungen haben oft nur kurzfristige Konsequenzen. Aber da erwarte ich inzwischen von Telltale auch nichts anderes, solange die Story passt.

Noch eine kurze Warnung: Hände weg von der deutschen Fassung! Spielt lieber komplett auf Englisch. Da wird ein „Pick up“ zu „Abholen“ und die Option, einen Charakter mit einer Tasche davongehen zu lassen, zu „Lasst sie los“.

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