Preview - Star Wars: Outlaws : Gespielt: Huch, ein Open-World-Spiel von Ubisoft ohne Fragezeichen?!
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Ein Open-World-Spiel im Star-Wars-Universum von Ubisoft – allein diese kurze Beschreibung lässt gleichermaßen die Vorfreude wie die Alarmglocken schrillen. In jedem Fall hat man aber automatisch ein ungefähres Bild davon vor Augen: von jeder Menge Fragezeichen auf der Karte und einer riesigen Spielwelt, die viele Freiheiten lässt, aber auch Leerlauf verheißt. Doch Star Wars: Outlaws bricht mit diesen „Traditionen“, wie wir beim fast 5-stündigen Anspiel mit dem nahezu fertigen Spiel feststellen durften.
Denn Star Wars: Outlaws mag zwar bei Ubisoft erscheinen, entwickelt wird es aber nicht von den Assassin’s-Creed- und Far-Cry-Studios in Montreal und Quebec, sondern in Malmö bei Massive Entertainment, die zuvor für den Multiplayer-Shooter The Division verantwortlich zeichneten.
Huch, keine Fragezeichen?!
Entsprechend fällt der erste Blick auf die Landkarte für ein derartiges Spiel höchst ungewohnt aus: keinerlei Fragezeichen weit und breit in Sicht. Star Wars: Outlaws folgt in seiner Open-World-Philosophie weniger den hauseigenen Blockbuster-Marken als vielmehr Spielen wie Star Wars Jedi: Survivor oder gar Elden Ring, die den Spieler zum eigenständigen Erkunden der Spielwelt ermutigen. Erst wenn ihr in die Nähe eines wichtigen Ortes gelangt – einem Schatzversteck oder einem NPC mit einer Quest –, setzt das Spiel (dann doch) ein Fragezeichen auf die Karte als Erinnerung für später, dass hier noch etwas Interessantes zu tun ist.
Star Wars: Outlaws wählt dadurch einen eleganten Kompromiss aus der packend vorwärtstreibenden Story-Inszenierung, wie man sie von einem Star-Wars-Spiel erwartet, und der Freiheit im Tun und Lassen eines Open-World-Spiels, ohne dabei im Pillepalle bloßer Beschäftigung zu versumpfen.
Heldin: eine „weibliche Han Solo“
Dieser Ansatz harmoniert bestens mit der grundlegenden Prämisse des Spiels: denn im Grunde handelt Star Wars: Outlaws von den Abenteuern einer „weiblichen Han Solo“. Ihr übernehmt die Rolle der Gaunerin und Glücksritterin Kay Vess, die ihre Talente in den Dienst der großen Verbrechersyndikate dieser weit, weit entfernten Galaxis stellt und sie alle gegeneinander ausspielt, dadurch aber auch zusehends in ihr Kreuzfeuer gerät.
Die Idee dazu sei den Entwicklern bei der ikonischen Cantina-Szene von Star Wars: Episode 4 – Eine neue Hoffnung gekommen, erklärt Creative Director Julian Gerighty uns im Interview. „Han Solo hat jahrelang Aufträge für Jabba the Hut erledigt, bis er in Ungnade fiel und nun von dessen Häschern und Kopfgeldjägern durch die ganze Galaxis gejagt wird, während er selbst ja eigentlich das Herz am rechten Fleck hat und nicht zu den ‚Bösen‘ gehört.“ Dieses Gefühl wolle man mit dem Spiel vermitteln.
Star Wars: Outlaws spielt zeitlich zwischen Das Imperium schlägt zurück und Die Rückkehr der Jedi-Ritter, also einer Ära, in der das Imperium auf dem Höhepunkt seiner Macht stand. Doch während die Filme den heldenhaften Kampf der Rebellen gegen die Unterdrücker zeichneten, gewährt Outlaws einen Blick hinter die Kulissen des galaktischen Krieges auf seine Schattenseite.
Die verschiedenen Verbrechersyndikate, also gewissermaßen die Fraktionen des Spiels, die ihr euch wahlweise zum Freund oder Feind macht, nahmen bisher eher eine Fußnote im Kanon ein. Am bekanntesten sind natürlich die Hutten, die von Jabbas Palast auf Tatooine aus regieren (diesen Abschnitt konnten wir allerdings in unserer Anspielsitzung noch nicht aufsuchen). Organisationen wie Crimson Dawn oder das Pyke-Syndikat dürften aber vor allem nur echten Fans aus dem Film Solo oder Serien wie Clone Wars ein Begriff sein, dafür aber womöglich freudige Erwartung schüren, auch diesen Teil der Star-Wars-Galaxis leibhaftig kennen zu lernen.
Das Leben als galaktische Gaunerin
Der größte Teil unserer Anspielzeit trug sich auf dem Wüsten- und Canyonplaneten Toshara zu, wo uns als Erstes nach dem Eintreffen das kongenial umgesetzte, ikonische Star-Wars-Design auffällt. Die Hauptstadt Mirogana ragt in der Form eines bizarr versteinerten Atompilz oder eines auf den Kopf gestellten Vulkans in den Himmel, in ihren Straßen können wir den Blick kaum abwenden von den unzähligen Details: die Marktstände der Händler mit ihren gegrillten Eidechsen am Spieß und den sonderbaren Gerätschaften, die exotischen Früchte in dampfenden Garküchen und ausgemusterte Droiden auf dem Schrottplatz, die Cantina mit ihren schillernden Alien-Kreaturen (die von den Machern übrigens liebevoll „Background-Weirdos“ genannt werden) und die Gebäude, deren rostige Wände in jedem Kratzer Star-Wars-typisch Geschichten von jahrzehntelangem Gebrauch zu erzählen scheinen.
Wie es sich für eine echte Antiheldin in den Fußstapfen von Han Solo gehört, suchen wir in der Rolle von Kay zunächst die Cantina auf und erhalten unseren ersten Auftrag. Wir sollen eine wertvolle Waffe stehlen, um uns dem Syndikat als würdig zu erweisen, und erleben dabei umgehend, dass die unterschiedlichen Fraktionen bzw. die Beziehungen, die man zu ihnen aufbaut, weit mehr sind als eine Zahl in der Statistik, sondern sich spürbar aufs Spielerlebnis auswirken.
Denn wir können nun wahlweise ins Lager von Crimson Dawn oder das des Pyke-Syndikats einbrechen, um die nötigen Informationen für unsere Mission zu erlangen. Da wir mit dem Pyke-Syndikat derzeit nicht das beste Verhältnis unterhalten, müssten wir an den Wachen ungesehen vorbeischleichen oder uns den Weg zum Ziel freischießen. Crimson Dawn hingegen ist uns wohlgesonnen, weswegen wir in ihre Basis gefahrlos einspazieren können und nur darauf achten müssen, beim Diebstahl nicht erwischt zu werden.
Je nachdem für welche Fraktionen ihr im Spiel Aufträge erledigt und welche Entscheidungen ihr trefft, steigert oder mindert das eure Reputation beim jeweiligen Syndikat, was zu unterschiedlichen Missionsabläufen führt, aber auch etwa die Preise bei Händlern und die verfügbaren Missionen beeinflusst. Häufig erweisen sich solcherlei Verzweigungen als zweischneidiges Schwert: Denn wer sich mit der einen Fraktion gut stellt, brüskiert zwangsweise die andere und sinkt dadurch in ihrer Gunst. Wie tief diese Auswirkungen langfristig reichen, ob sie lediglich kleine Variationen im Ablauf bewirken oder gar womöglich die Geschichte in alternative Bahnen lenken, wird allerdings erst das Hauptspiel zeigen.
Ist das Assassin’s Creed: Star Wars Edition?
Schon jetzt fällt aber auf, dass sich Outlaws recht untypisch für ein Star-Wars-Spiel sehr schleichlastig präsentiert. In nahezu jeder der von mir gespielten Missionen stand heimliches Vorgehen im Mittelpunkt – ballern erweist sich meist nur als letzter Ausweg, falls man doch entdeckt wurde. Dadurch fühlte sich Outlaws über weite Strecken wie ein Assassin’s-Creed-Spiel im Star-Wars-Universum an – und in dem Punkt ist das keineswegs negativ gemeint.
Dabei nimmt Kays süßer Alien-Sidekick Nix eine zentrale Rolle ein, der sie ähnlich wie der drollige Droide BD-1 in den Star-Wars-Jedi-Spielen von EA auf Schritt und Tritt begleitet und zweifellos zum Maskottchen und heimlichen Liebling des Titels avancieren dürfte. Denn Nix ist sehr viel mehr als lediglich ein niedlicher Sidekick oder ein geschickt inszenierter Ansprechpartner wie Atreus in den God-of-War-Spielen, sondern vielmehr die Allzweck-Geheimwaffe von Star Wars: Outlaws für Kämpfe und Rätsel.
Er ist nämlich in der Lage, Gegner abzulenken, um ungesehen an ihnen vorbeizuschleichen, sie anzugreifen, was ihnen zwar keinen Schaden zufügt, sie aber so lange in Beschlag nimmt, dass Kay zu einem Stealth-Kill ansetzen kann. Auch gelangt er an Schalter, die für einen Menschen außer Reichweite liegen, oder ist in der Lage, eine Klappe zu öffnen, damit Kay die Sicherung dahinter mit dem Blaster zerstören kann.
Letzteres klingt fast ein bisschen nach dem berüchtigten, „Pfeil durchs Fenster schießen, um die Tür zu öffnen“-Puzzle aus Assassin’s Creed: Valhalla, und tatsächlich begegnete ich genau diesem überstrapazierten Rätsel unmittelbar nach meinem ersten Ausflug in die Open World des Spiels: Eine verlassene Gebäuderuine am Straßenrand beherbergt einen Schatz, an den nur gelangt, wer eben die Tür genau nach diesem bekannten Muster öffnet.
Open World zwischen Schatztruhen, Motorrad-Rennen und Kartenspiel
Noch bin ich aber zuversichtlich, dass die Entwickler nicht lediglich ausgetretene Pfade aus dem Open-World-Baukasten einschlägiger Ubisoft-Titel rezitieren. Vielmehr erweckt das Spielwelt-Design den Eindruck, als liege der Fokus auf dem eigenständigen Erkunden und dem Entdecken versteckter Geheimnisse, die oftmals in ganze Questketten eingebettet scheinen: So entdeckte ich etwa beim Einbruch ins Hauptquartier eines Gangsterbosses ein Datenpad mit dem Hinweis zu drei Schlüsseln, die an unterschiedlichen Orten der Spielwelt versteckt liegen und schließlich am Ende der Questreihe einen Hochsicherheits-Tresor in der Schatzkammer der Banditen öffnen.
Als weitere Aktivität in der Open World könnt ihr zudem in Wettrennen auf dem Speederbike antreten, die an die Chocobo-Rennen aus Final Fantasy VII Rebirth erinnern. Und mit dem Poker-ähnlichen Sabacc schickt sich das Kartenspiel aus dem Film Solo an, in die Fußstapfen von Gwent und Queen’s Blood zu treten. Witzig: Als hinterlistige Gaunerin schummelt Kay gerne beim Spielen, indem sie Haustierchen Nix die Karten der Kontrahenten ausspähen lässt, darf dafür aber das zugehörige Quicktime-Event nicht vermasseln.
Zuversichtlich stimmt auch, dass sich die Spielwelt nicht an schierer Größe ergötzt, sondern einen vernünftig scheinenden Umfang aufspannt. Schließlich habt ihr es nicht mit einer einzigen Open World zu tun, sondern bereist insgesamt fünf unterschiedliche Planeten, neben den bereits erwähnten Toshara und Tatooine auch die Casinowelt Canto Bight aus Die letzten Jedi, der Dschungelplanet Akiva, sowie der Schneeplanet Kijimi, der in Episode IX: Der Aufstieg Skywalkers einen Auftritt hatte und dem ich in der zweiten Hälfte meiner Anspielsitzung einen Besuch abstatten durfte.
Raumkämpfe wie in Battlefront 2 – und nicht Starfield
Doch vor den Besuch hat das Spiel erstmal den Flug dorthin gesetzt, und der gewährt einen ersten Blick auf die Raumschlachten von Star Wars: Outlaws. Ein frei zu bereisendes Weltall wie in Starfield gibt es (gottlob) nicht, stattdessen kurze, knackige Scharmützel gegen TIE-Jäger, entfernt vergleichbar mit den entsprechenden Actionszenen im EA-Shooter Star Wars: Battlefront 2. Zwar lässt sich das Sonnensystem in unmittelbarer Nähe des jeweiligen Planeten auch frei erkunden, viel mehr als ein paar Raumschiffwracks und Container zum Plündern war dort aber zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu finden – da wird das fertige Spiel hoffentlich noch nachlegen.
Auf Kijimi sollen wir dann im Auftrag der Königin ein heiliges Relikt aus einem Anwesen stehlen, das einmal mehr das atemberaubende Design des Spiels illustriert: Von außen wie eine Trutzburg wirkt es im Inneren wie ein japanischer Wellness-Tempel mit heiß dampfenden Quellen und luxuriösen Massage-Hinterzimmern. Wo andere Open-World-Spiel die Kulisse für ihre Welt vom Copy-&-Paste-Fließband rollen lassen, zeigt sich Outlaws immer wieder bis ins liebevoll kleinste Detail durchdacht. Und abermals zeigt sich auch die große Erfahrung von Ubisoft mit ausgeklügeltem Stealth-Gameplay, denn noch mehr als in den vorherigen Abschnitten heißt es: Wachen ablenken, geheime Wege ausfindig machen, von erhöhten Positionen auf ahnungslose Patrouillen stürzen – Assassin’s Creed: Star Wars Edition eben. Aber ohne Fragezeichen auf der Karte.
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