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Special - Politiker-LAN : Die gamescom im Bundestag

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Es ist ein kühler Februartag mitten in Berlin. Im politischen Herzen der Hauptstadt nehmen Politiker an diesem Mittwoch aber nicht eine andere Fraktion, sondern Pixelgegner ins Fadenkreuz. Drei Abgeordnete luden zur ersten Politiker-LAN im Deutschen Bundestag.

Dort, wo sich normalerweise die Fraktionen einfinden, tagespolitische Themen diskutieren und sich auf kommende Abstimmungen vorbereiten, schossen Gewehrsalven durch die Gegend, dröhnten die Motoren und machte sich Fußballatmosphäre breit. Dorothee Bär (CSU), Manuel Höferlin (FDP) und Jimmy Schulz (FDP) richteten auf der Fraktionsebene des Bundestages eine Minigamescom aus, um Politikern die Möglichkeit zu geben, nicht nur aus der Distanz über Spiele zu urteilen, sondern sie auch tatsächlich zu spielen.

Ein Kessel Buntes

Ob Homefront, Gran Turismo 5, Nintendo 3DS, PlayStation Move oder pädagogisch wertvolle Lernspiele für Kinder - dank der Unterstützung des Bundesverbands Interaktive Unterhaltungssoftware karrten etliche Publisher eine breiten Palette an Videospielen ins Reichstagsgebäude. Schade nur, dass sich kaum einer der rund 600 Abgeordneten aufs Parkett wagte. Eine schamlose Lobby-Veranstaltung raunten die einen, fast schon ein Skandal die anderen. Zu den Kritikern gehört auch Hardy Schober, Vorstand des Aktionsbündnisses Amoklauf Winnenden, dessen Zielsetzung unter anderem das "Verbot von Killerspielen (Ego-Shooter, Computerspiele mit gewaltrelevantem Inhalt) die das Töten von Menschen simlulieren [sic]" ist.

Schober fühle sich durch die Politiker verhöhnt, die auf einer LAN-Party gegeneinander antreten, um zu lernen, wie man virtuell tötet. Von der Ankündigung aus dem vergangenen Jahr, dass sich gleich ganze Fraktionen gegenüberstehen werden, blieb aber nicht viel übrig. Zum einen, weil die ESL lieber mit gleich zwei professionellen Counter-Strike-Mannschaften anrückte, um Show-Kämpfe zu demonstrieren, zum anderen, weil es den Anschein hatte, dass kaum einer in Verbindung mit dem medial viel gescholtenen "Killerspiel" abgelichtet werden wollte.

Aus der zweiten Reihe

Zu den wenigen bekannten Politprofis, die sich dann doch ins virtuelle Getümmel stürzten, gehörte Burkhardt Müller-Sönksen, medienpolitischer Sprecher der FDP. Umringt von dutzenden TV-Kameras und Mikrofonen ließ er sich Counter-Strike erst vom Clan "n!faculty" erklären, um später selbst zur Maus zu greifen. Brigitte Zypries, die von 2002 bis 2009 Bundesministerin der Justiz war, schaute bei den Ballereien höchstens mal über die Schulter und schwang lieber bei Virtua Tennis 4 den PlayStation-Move-Controller. Mechthild Dyckmans, die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, wies medienwirksam auf das Suchtpotenzial von Spielen wie World of WarCraft oder Farmville hin - und verschwand nach den mahnenden Worten auch gleich wieder. Und sonst? Viele unbekannte und junge Gesichter der politischen Bühne, die mit Videospielen wohl noch am ehesten vertraut sind. Viel nötiger hätten es dagegen die "Killerspiel"-Kritiker wie Dr. Dieter Wiefelspütz gehabt, die sich nach Gewalttaten vorschnell vor den Karren der bunten Blättchen spannen lassen. Von ihnen aber war keine Spur.

Fortsetzung folgt

Trotzdem: Aus der Sicht der drei Initiatoren war die Politiker-LAN ein "voller Erfolg". Schönrederei? Ein bisschen. 70 von rund 600 Abgeordneten und keinen der schillernden Videospielgegner vor Ort zu haben, ist zweifellos schade. Aber kann man Bär, Höferlin und Schulz etwas vorwerfen? Wohl kaum. Von Ego-Shootern über Sport- und Party-Spiele bis hin zu Lernprodukten für Kinder hat das Trio einen vielfältigen Auszug aus den Spielen präsentiert, ein Vortragsprogramm der Bundeszentrale für politische Bildung rundete das Angebot für die Parlamentarier ab. Dass diese Einladung dann nur wenige angenommen haben, ist umso bedauernswerter.

Weitergehen soll es mit der Politiker-LAN aber auf alle Fälle, betonte Manuel Höferlin. Wann und in welcher Form, steht zwar noch nicht fest, zu hoffen ist aber, dass der nächsten Einladung mehr Abgeordnete folgen werden. Denn die Grundidee, Politikern das nahezubringen, über das sie oft nur aus der Ferne und ohne hinreichende Erfahrungen urteilen, ist definitiv zu begrüßen.

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