Special - Kolumne: Robin streikt : Pokémon NO
- Mob
Egal ob auf Facebook oder Twitter, in den Nachrichten oder bei Gesprächen im Büro: Alles dreht sich um Pokémon GO. Wenn man in der Mittagspause zum Essen gehen möchte, ist es inzwischen so weit gekommen, dass die Auswahl des Imbisses daran festgemacht wird, ob man auf dem Weg dorthin nicht eventuell neue Pokémon fangen könnte. Ich kann dieser virtuellen Jagd überhaupt nichts abgewinnen. Dabei liebe ich die Rollenspiele so sehr.
Ohne die Rote Edition von Pokémon würde ich heute nicht hier sitzen und über Videospiele schreiben. Kaum eine andere Reihe hat mein Interesse an Spielen so sehr geprägt wie die der Taschenmonster. Was habe ich damals nicht für Gefahren auf mich genommen, um meine Sammlung zu vervollständigen: Man hat versucht, wildfremde Kinder auf dem Spielplatz zu überreden, ihr Starter-Pokémon gegen ein lumpiges Raupy zu tauschen. Oder man hat verbotenerweise den Game Boy mit in die Schule gebracht, um unter dem Tisch mit dem besten Freund heimlich zu tauschen. Selbst zwanzig Jahre später hat diese Faszination bei mir nicht nachgelassen – zumindest bis Pokémon GO erhältlich war.
Ein Pokémon-Spiel für Smartphones klingt nach einer tollen Idee. Die Verbindung mit Gecoaching-Elementen ist ebenfalls eine konsequente Weiterentwicklung der Pokémon-Jagd. Aber was Nintendo und Niantic mit der App abliefern, empfinde ich als Frechheit. Ständig habe ich mit Abstürzen der App zu kämpfen, die Server sind so schwer zu erreichen wie ein Amt am Freitagnachmittag und zudem fühlt sich die Bedienung der App für mich nicht intuitiv an.
Ich habe es versucht!
Drei Tage lang habe ich versucht, der neuen Pokémon-Jagd irgendwie etwas abzugewinnen. Ich bin an die unmöglichsten Orte gewandert, um Hornlius zu fangen. Dabei wäre ich fast ausgerutscht und in den See gefallen, der bei mir um die Ecke ist. Hier und da lässt sich dann immerhin in Arenen ein Hauch von Action feststellen – sofern man denn nach einer Stunde Spielzeit noch Saft im Akku hat. Das war es aber auch schon. Dann laufe ich wieder los und sammle dieselben Pokémon, die ich sowieso schon habe, um sie an den Professor zu schicken. Damit ich nach dem 46. Evoli endlich genug Bonbon habe, um es zu entwickeln.
Für mich hat Niantic die Spielmechaniken von Pokémon und Google Ingress genommen und so sehr aufs Minimum heruntergebrochen, dass sich Pokémon GO aktuell mehr nach einer Techdemo als nach einer ausgereiften Idee anfühlt. Das ist aber nur die eine Hälfte, die dafür sorgt, dass mich das Spiel nervt. Die andere Hälfte sind die Spieler, die innerhalb von weniger als einer Woche zu GO-Zombies mutiert sind, die kein anderes Thema mehr haben als die App.
Ich kann es nicht mehr hören!
Es ist kein Geheimnis, dass sich Smartphones in den letzten Jahren zu absoluten Konversationskillern entwickelt haben. Durch Pokémon GO scheint diese Entwicklung jedoch noch rasanter voranzuschreiten. Aktuell kann ich in meinem Freundeskreis kein Gespräch führen, während dessen nicht entweder Pokémon GO nebenbei gespielt wird oder in dem über Pokémon GO geredet wird. Das ist einfach nur nervig, vor allem wenn man dem Trend nichts abgewinnen kann.
Es hat den Anschein, als würden immer mehr Spieler zu Jüngern, die einem die App schmackhaft machen wollen. Ähnlich wie manche Apple-Produkt-Besitzer oder Menschen, die extrem von ihrer Ernährungsweise überzeugt sind, zwingen sie mir ihre Meinung auf und versuchen mich dazu zu bekehren, dass Pokémon GO super ist.
Bitte lasst das. Mir gefällt das Spiel nicht. Damit muss es auch gut sein. Ich will nicht davon überzeugt werden, dass dieser halbgare Feldversuch eine Revolution ist. Ich lasse euch euren Spaß, keine Frage. Bindet mir jedoch nicht bei jeder Gelegenheit auf die Nase, dass ihr heute ein Evoli, Elektek oder Pikachu gefangen habt. Es ist mir egal – und euch in einer Woche wahrscheinlich auch. Oder wie war das mit Miitomo?
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