Test - Pico 4 Ultra : Test: Besser als Quest 3?
- PC
Der Virtual-Reality-Markt stagniert derzeit. Meta versuchte zwar letztes Jahr den Hype noch einmal auflodern zu lassen, doch mit dem rundum aufgemotzten Quest-3-Headset gelang das nur kurz. Etwa 1,25 Millionen Headsets gingen bislang über den Ladentisch, während weiterhin über 20 Millionen Quest 2 im Umlauf sind. Es war also ein Tropfen auf dem heißen Stein. Trotzdem versucht Konkurrent ByteDance ebenfalls noch ein paar Kohlen ins Feuer zu werfen, um mit Pico 4 zumindest zu Quest 3 aufzuschließen. Wir haben uns das neue verbesserte Modell Pico 4 Ultra angesehen.
Falls euch der Produktname Pico 4 nichts sagt, dann hier nochmal eine schnelle Zusammenfassung: Das Standalone-VR-Headset der Tiktok-Firma ByteDance ist der stärkste augenblickliche Konkurrent für Meta, weil es sich in einem ähnlichen Preissegment bewegt und mit gezielten Nadelstichen die Schwächen des Marktführers ausnutzt. Genau deswegen ist ein direkter Vergleich unausweichlich.
Wie sich Pico 4 bisher schlug
Pico 4 erschien als Rivale für Quest 2 und konnte in mehreren Feldern Vorteile für sich verbuchen. Allem voran beim Thema Komfort, denn das Design verzichtet auf halbgare Zwischenlösungen. Es bringt von vornherein eine sehr bequeme und stabile Kopfschnalle mit, bei der der Akku am hinteren Ende fest verbaut ist. Dadurch liegt das Gewicht gleichmäßig auf dem Kopf verteilt, was eine Frontlastigkeit verhindert. Derweil schmiegt sich die Front dank einer Textil-Abschlussmaske weich an das Gesicht an. Sehr bequem, wenn auch nicht bei jeder Gesichtsform ideal, um Lichteinfall zu vermeiden.
Diese und weitere (eher nebensächliche) Vorteile standen seit jeher einem beachtlichen Nachteil gegenüber, nämlich einer spürbaren Lücke in der Softwareversorgung. Picos Bibliothek ist zwar ordentlich gefüllt, wenn es um Drittanbieter geht, doch Meta konnte sich einige wichtige Marken sichern und heuert zudem eigenständig Softwarestudios für Exklusivtitel an. Siehe etwa Megaseller wie Beat Saber, das geniale Rollenspiel Asgards Wrath 2, das wir Anfang des Jahres für euch getestet haben, Assassin’s Creed oder das kommende Batman-Spiel. Auf solche Titel müsst ihr verzichten, wenn ihr euch für Pico entscheidet. Interessieren euch diese Spiele nicht oder liegt euer Fokus eher auf eine PC-Anbindung? Dann kann euch das schnurzegal sein. In dem Fall haben Hardware-Vorteile mehr Gewicht.
Das große Upgrade: Pico 4 Ultra
Die neue Version von Pico 4, die uns für einen Test zur Verfügung gestellt wurde und zu einem UVP von 599 Euro in den Ladenregalen liegt, ist keine Neuentwicklung, sondern ein Upgrade des bekannten Modells mit dem Anhängsel Ultra. Grundsätzlich bleiben alle Vor- und Nachteile wie gehabt – siehe Formfaktor, Komfort, Gewicht, und Batterielaufzeit - alles in etwa im selben Rahmen. Aber um Metas deutlich aufgemotztem Quest 3-Headset Paroli bieten zu können, integrierte ByteDance ein paar neue Features, die schon beim Auspacken auffallen.
Da wären beispielsweise neue Controller, die – wie bei Quest 3 – nun auf Tracking-Bügel verzichten. Das macht sie kompakter und besser zu verstauen, ändert aber in der Praxis nichts an ihrer Präzision, wie wir schon nach wenigen Testminuten feststellen konnten. Auch nicht im Bereich über dem Kopf, denn Pico 4 Ultra hat im Gegensatz zur Quest 3 weiterhin Tracking-Kameras, die nach oben ausgerichtet sind.
Unserer Meinung nach liegen die Controller dank längerer Griffe sogar etwas bequemer in der Hand. Ein Feature, für das sich Spieler mit großen Pranken bedanken. Außerdem verfügen sie über separate Capture-Buttons, damit ihr Screenshots und Videos aufnehmen könnt, ohne umständlich ins Menü zu müssen. Eine stark konvexe Oberfläche verhindert, dass ihr sie mit den Menü-Buttons verwechselt. Layout und Haptik halten sich ansonsten an den etablierten Standard. Dieser Punkt geht klar an ByteDance.
Endlich gute Tiefensicht
Die zweite auffällige Neuerung steckt in den beiden Kameras an der Front des Geräts. Welcher Funktion sie dienen liegt auf de Hand: Pico 4 Ultra soll mindestens genauso tauglich für Mixed-Reality-Anwendungen sein wie Quest 3. Über einen farbigen Pass-Through-Modus verfügt das Basis-Modell ja bereits, aber mangels Tiefensensor war dessen Ansicht so flach, dass man sogar mit der Orientierung haderte.
Ganz anders bei Pico 4 Ultra. Kaum aufgesetzt, sieht man die eigene Wohnung dreidimensional und kann sich spielend leicht orientieren. Ein Spaziergang durch die Wohnung mit dem Headset auf dem Kopf? Gar kein Problem! Auch dieses Feature funktioniert unterm Strich ein wenig besser als mit Quest 3, weil Picos Software Verzerrungen im Blickfeld zuverlässiger herausrechnet. Das dürfte im direkten Vergleich bei sämtlichen Mixed-Reality-Anwendungen ausschlaggebend sein. Zumal die Kameras auch weniger Probleme mit Gegenlicht haben. Vom hellen Handy-Bildschirm ablesen kann man zwar auch mit Quest 3, aber Pico 4 Ultra liefert das angenehmere, weil weniger grelle Gesamtbild.
Was uns ohne Umschweife zum Thema Spielfeld-Automatismus bringt. Dank des Tiefensensors erkennt Pico 4 Ultra nun den Aufbau der Wohnung selbstständig, wenn man in einen Scan-Modus wechselt. An dieser Stelle kann Bytedance Meta aber nicht ausstechen. Der Scan ist erheblich gröber als wir es von Meta gewohnt sind, und verpackt selbst kleine Teile der Wohnungseinrichtung in überdimensionierte Hitbox-Würfel. Der Wunsch, doch lieber eigenhändig Spielfeldgrenzen zu ziehen, setzt sich schnell durch.
Optischer Gleichstand
Anderweitig fällt es schwer, in der Praxis einen Unterschied zwischen den beiden Konkurrenten zu finden, sobald man mal die Pancake-Linsen vor den Augen hat. Spielgefühl und Optik sind sehr ähnlich, was wohl auch daran liegt, dass sich die Bildschirmauflösung kaum unterscheidet. Mit 2160 x 2160 Pixeln hat Pico 4 Ultra noch immer dieselbe Auflösung wie das Basis-Modell und rein rechnerisch die Nase minimal vorne, aber es geht nur um eine Handvoll Pixelreihen. Zumal trotz der minimal höheren Auflösung etwa fünf Grad weniger Panorama sichtbar sind.
Bei solchen Eigenschaften könnte man meinen, die Pixel von Pico 4 Ultra lägen näher beieinander als bei Quest 3. Leider eine Falschannahme: Menüs und einfache geometrische Formen enthüllen einen zwar nie übermäßig nervenden, aber doch sichtbaren Fliegengitter-Effekt (Screen door). Er spielt bei laufenden Anwendungen (also vollimersiven Games) überhaupt keine Rolle, weil die Interaktion mit der Umgebung davon ablenkt, aber in manch ruhiger Spielszene lässt er sich nicht ignorieren.
Ein Geben und Nehmen: Im Optik-Duell fechten Pico 4 Ultra und Meta Quest 3 höchstens Fleischwunden heraus, weil jeder mal einen kleinen, kaum bedeutsamen Treffer landen kann.
Ungenutzte Vorteile
Bleibt die Frage: Gibt es denn irgendeinen Bereich, bei dem Pico 4 Ultra mutig nach vorne stürmt, statt nur das Spielfeld zu ebenen? Vielleicht beim Speicher? Nah, 256GB wurden verbaut. Allemal genug und doppelt so viel wie in der „kleinen“ Version von Quest 3, aber doch nur halb so viel wie in der Großen. Ein Kompromiss, der höchstens Pfennigfuchsern als Kaufargument dient, wenn man ihn isoliert betrachtet.
Auch 12 Gigabyte Arbeitsspeicher und ein Upgrade auf den jüngsten Qualcom-Prozessor (Snapdragon XR2 Gen2) klingen auf dem Papier gut, helfen aber kaum, wenn so ziemlich alle Softwareschmieden noch immer für die mickrigen 6 Gbyte von Quest 2 optimieren. Da kann man nur abwarten und hoffen, dass Quest 2 irgendwann abdankt.
Immerhin: Pico 4 Ultra kann nun dieselben „Enhanced Versions“ abspielen, die Quest 3 bekommt. Die glänzen meist mit schärferen Texturen und ein paar neuen Effekten. Spiele, die genau auf die Vorzüge einer solch starken Hardware abgestimmt wurden, muss man aber mit der Lupe suchen und das dürfte zumindest in den nächsten ein, zwei Jahren der größte Mühlstein am Hals des „wir haben die beste Hardware“-Marketings sein.
Kabellose Freude – oder auch nicht
Und sonst? Nun, es gab mal einen ganz erheblichen Vorteil beim Vorgänger, nämlich einen Display Port-Anschluss, der PCVR-Gamern hervorragende Bildqualität sicherte. Leider verzichten Pico 4 wie auch das Ultra-Modell auf diese Anschlussbuchse, obwohl Enthusiasten lauthals danach verlangen.
Der nächstbeste und durchaus adäquate Ersatz hält nun mit der neuen Wifi 7-Unterstützung Einzug. Im Vergleich zu Wifi 6 liefert Wifi 7 eine verdoppelte Bandbreite von 320 MHz und 46 Gbits pro Sekunde. Das ist allemal genug für einen stabilen, reaktionsschnellen und qualitativ hochwertigen Datenstream. Kabellos ist VR sowieso viel schöner.
Allerdings empfehlen wir nach wie vor die Verwendung der Zusatzsoftware Virtual Desktop, denn wie schon beim Pico 4 Basismodell hatten wir erhebliche Probleme mit der hauseigenen Software von ByteDance, die weder USB-verkabelt noch über Wifi eine Verbindung zu unseren Steam-Games zustande brachte. Trotz des Durchwühlens etliche Reddit-Threads und sonstiger Foren fanden wir keinen Lösungsansatz dafür. Steam VR erkannte die Verbindung nie. Hoch lebe Virtual Desktop. Eine Dritthersteller-Software, deren Anschaffung sich definitiv lohnt.
Kommentarezum Artikel