Test - LocoCycle : Guilty pleasure
- One
Es wäre so einfach, LocoCycle als miserablen Titel zu bezeichnen. Schlechte Optik, keine zeitgemäße Steuerung und eine Handlung, die diese Bezeichnung nicht verdient. Dennoch spaltet der Titel die internationalen Presse. Die Kollegen von der Edge bezeichnen den Titel als miserabel, während Kotaku LocoCycle als „guilty pleasure“ beschreibt. Es ist ein interessantes und dennoch polarisierendes Muster, das auch in unserer Redaktion festzustellen war. Dabei wurde hauptsächlich nach dem Ersteindruck geurteilt - doch wie sieht es mit der wichtigsten Eigenschaft aus? Macht der Titel denn auch Spaß? Die kurze Antwort: Ja.
Ein blaues Motorrad, das glatt aus "Tron" oder "Knight Rider" stammen könnte und eine spanisch sprechende Person namens Pablo - das sind die Protagonisten in LocoCycle. Der spanische Herr ist jedoch nicht der Fahrer des Motorrads, nein, Pablo wird über das gesamte Spiel hinweg vom zweirädrigen Gefährt namens I.R.I.S. hinterhergezogen. Pablo hängt nämlich mit seiner Hose an I.R.I.S.' Karosserie fest. Nein, das ist kein schlechter Scherz – ebenso wenig wie LocoCycle ein schlechtes Spiel ist.
Lustiges Spiel oder technischer Schrott?
Doch lasst uns den Titel zunächst näher beschreiben. LocoCycle ist ein Mischung aus Railshooter und Beat-'em -up. Ihr bewegt euch wie auf Schienen und seid lediglich für das Bekämpfen und Abschießen von Feinden verantwortlich. Schauplatz ist eine schier unendlich lange Autobahn, wo ihr auf euch zufahrenden Autos ausweicht und in Schwarz gekleideten Männern sowie fliegenden, anthropomorphen Robotern den Garaus macht. Warum sie euch angreifen? Anscheinend schmeckt es ihnen nicht, dass I.R.I.S. (die nicht nur ein Motorrad, sondern auch gleich eine intelligente Superwaffe ist) ihren eigenen Willen entwickelt und sich kurzerhand selbstständig macht. Oder sie hatten einfach nur einen schlechten Tag. Einen großartigen Unterschied macht das in diesem Kontext nicht.
Das ganze Spiel wirkt dabei technisch unausgegoren und könnte aus den Anfangszeiten der Xbox 360 stammen. Die komplette Präsentation ist plump, die Spielmechanik veraltet und die Abschnitte sind repetitiv. Warum solltet ihr also mit LocoCycle so etwas wie Spaß empfinden? Ganz einfach: weil Spiele mehr sein können, als ihre technische Verkleidung zunächst vermuten lässt. LocoCycle führt die ganze Präsentation und Atmosphäre ad absurdum. I.R.I.S. ist ein Charakter mit herrlich dummen Dialogen, sodass ihr nicht anders könnt, als über die beispielsweise schlecht nachgeahmten GlaDos-Passagen zu kichern. Zudem ist die Interaktion zwischen dem sprechenden Gefährt und Pablo auf eine ungemein lustige Art und Weise so dämlich wie gut.
Zwar fleht und flucht Pablo das ganze Spiel über (realitätsgetreu auf spanisch) in Richtung I.R.I.S. - diese fehlinterpretiert jedoch die Äußerungen des hilflosen Mannes und spricht einfach weiter über ihre neu gewonnene Freiheit. Auch die restlichen Charaktere sind Trash-Güteklasse A und bringen euch mit ihrer unfassbar sinnfreien Logik mehr als nur einmal zum Lachen. Da hätten wir beispielsweise S.P.I.KE., der die Rolle des Antagonisten ausfüllt und zufälligerweise ebenfalls ein sprechendes Motorrad ist.
Schmaler Grad zwischen Kunst und Müll
Nachdem ihr ihn in einem „furiosen“ Kampf besiegt habt, schwört er Rache und sucht nach einer Möglichkeit, euch in einem Kampf ebenbürtig gegenüberzustehen. Da I.R.I.S. ihn mit einem an der Karosserie hängenden Menschen besiegt hat, ist die Lösung schnell gefunden: S.P.I.KE. besorgt sich kurzerhand auch einen Sidekick und schleppt fortan eine fettleibige Frau mit sich herum - in der Hoffnung, dieselben kämpferischen Fähigkeiten zu erhalten.
Spiele wie LocoCycle sind eine Welt für sich und recht schwer zu bewerten. Es ist ohne jeden Zweifel Trash, jedoch haben uns Filme bereits gezeigt, dass dieser Umstand nicht verkehrt sein muss und unheimlich viel Spaß machen kann. Wikipedia definiert für den objektiven Betrachter Trash als „[...] Gipfel der Geschmack- und Geistlosigkeit, der für den anderen tiefen künstlerischen Wert birgt [...]“ Eben diese Definition können auf Titel wie LocoCycle oder das Spielephänomen Deadly Premonition angewandt werden. Das Krimidrama aus der Feder von Swery65 stieß aufgrund seiner katastrophalen Technik auf harte Kritik. Nichtsdestotrotz konnte es sich eine starke Fan-Gemeinde aufbauen, die den Inhalt und die schrägen Charaktere aufs Massivste abfeiern.
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