Test - Kentucky Route Zero : Melancholische Indie-Perle
- PC
Noch nie standen Independent-Entwickler so sehr im Rampenlicht. Die Sparte boomt. Und die besten der besten wurden jetzt auf dem IndieCade-Festival in Los Angeles prämiert. Ich habe mir eine Perle herausgepickt und näher angesehen.
Habe ich das gerade gespielt oder war das ein surrealer Trip? Ist das überhaupt noch ein Spiel oder doch eine interaktive Geschichte? Und was genau unterscheidet ein Spiel von einer interaktiven Geschichte? Wo ist die Grenze? Gibt es überhaupt eine? Das sind Fragen, die mich während der ersten beiden Akte von Kentucky Route Zero beschäftigt haben. Dieses traditionell anmutende Point-&-Click-Adventure aus dem Hause Cardboard Computer ist erzählerisch gesehen alles andere als traditionell. Kein Wunder also, dass es bei den IndieCade-Awards im Oktober in den Kategorien Story und Visual Design als Gewinner vom Platz ging.
Herr Rick, ich bitte zum Akt!
Kentucky Route Zero erzählt eine Geschichte, die sich in Episodenform über fünf Akte erstrecken wird. Bis jetzt gibt es allerdings nur die ersten beiden, die euch auf eine unwirkliche Reise mitnehmen. Ist man mal am Ende von Akt zwei angelangt, wird schon relativ deutlich, dass nicht das Ziel an sich, sondern der Weg dorthin das eigentliche Ziel ist. Und dieser Weg führt unseren Weggefährten Conway und seinen treuen alten Hund über die Kentucky Route Zero, einen Highway, den es eigentlich nicht geben sollte und von dem nur wenige tatsächlich wissen, wo er ist. Seid ihr erst einmal auf diesem Highway, der keine Abzweigungen aufweist, helfen euch nur diverse Zeichen bei der Orientierung, damit ihr an euer Ziel kommt.
Im Vordergrund von Kentucky Route Zero steht vor allem das Aufeinandertreffen mit anderen Menschen. Gerade die Konversationen haben einen unglaublich natürlichen Fluss. Auch wenn es in der Regel diverse Konversationsansätze und Antworten gibt, unterscheiden diese sich immer wieder stark voneinander und lenken das Gespräch in eine ganz bestimmte Richtung, die sich dann weiter durchzieht. Vorherige Gesprächsoptionen werden nicht mehr angezeigt, weil sich die Konversation weiterbewegt hat. So spiegeln viele Frage und Antwortmöglichkeiten unsere eigenen Interessen und unseren Charakter wider.
Hinzu kommt, dass es immer wieder Sprünge bei der Perspektive gibt. Zwar steuert ihr die meiste Zeit Conway direkt, aber es kommt auch mal vor, dass ihr Conway und Co. aus der Beobachterperspektive verfolgt oder kurzzeitig in die Rolle von jemand anderem schlüpft und so dramaturgisch den Protagonisten von außen seht. Solche Momente unterstützen die Rätselhaftigkeit der nebulösen Handlung.
Einfach ... *seufz* ... schön!
Stilistisch betrachtet ist Kentucky Route Zero einfach schön. Hier trifft Another World auf eine melancholische Version von Pixar. Bewegungen sind ungemein flüssig und natürlich. Architektur und Szenerie haben eine gewisse Größe. Licht und Schatten dienen als Stilmittel. Und auch wenn alles nach 2-D aussieht, so gibt es immer wieder bewusst zaghaft eingesetzte Momente, die die Räumlichkeit dieser Welt demonstrieren und dann umso eindrucksvoller sind. Bei der Musik zählt ebenfalls der bewusst spärliche Einsatz, etwa wenn ihr in einem Büro eine springende Schallplatte wieder zum Laufen bringt oder wenn in einer traumähnlichen Sequenz in einem Wald Banjo, Gesang und das Zirpen der Grillen gekonnt miteinander verschmelzen. Die meiste Zeit werdet ihr aber von einer minimalen Geräuschkulisse begleitet. Etwas, das die Atmosphäre noch mehr hervorhebt und euch in die Welt eintauchen lässt.
Kommentarezum Artikel