Special - Kolumne: Lieber Uwe Boll ... : Ein offener Brief an einen deutschen Filmemacher
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Ein offener Brief an einen deutschen Filmemacher: Gestern durfte ich mir Ihren neuen Kinofilm 'Far Cry' anschauen. Das „Durfte" reichte aber nur bis etwa zur Mitte des Films und änderte sich dann in ein „Musste". Freiwillig bin ich eigentlich nicht gerne sitzen geblieben.
Gestern durfte ich mir Ihren neuen Kinofilm 'Far Cry' anschauen. Das „Durfte" reichte aber eigentlich nur bis etwa zur Mitte des Films und änderte sich dann in ein „Musste". Freiwillig wäre ich nämlich nicht sitzen geblieben. Und das lag wirklich nicht an der eher mäßigen Bestuhlung des Kinosaals. Ich liebe Spiele und ich liebe Filme. Deswegen gehöre ich wahrscheinlich zu Ihrer Hauptzielgruppe und gleichzeitig zu Ihren größten Kritikern. Es tut mir in der Seele weh, was sie aus Vorlagen wie 'BloodRayne' oder 'Dungeon Siege' gemacht haben. Beide Filme habe ich im Übrigen nie bis zum Ende gesehen.
„Stupid German Money"
Verwundert bin ich immer wieder, wie Sie es schaffen, namhafte Darsteller zu verpflichten. Sind Ihre Angebote wirklich so gut, dass selbst ein Til Schweiger nicht nein sagen kann? Abgesehen davon hat Ihre Besetzungscouch mal wieder total ins Klo gegriffen. Til Schweiger mochte ich in Filmen wie 'Der bewegte Mann', 'Knocking on Heavens Door', 'Der Eisbär' oder jüngst in 'KeinOhrHasen'. Dem aufmerksamen Leser wird auffallen, dass es sich dabei ausschließlich um Komödien handelt. Til Schweiger mit seiner Quietscheentchenstimme kann ich in Actionfilmen einfach nicht ernst nehmen. Das geht nicht.
Ralf Moeller - Gott weiß, warum er in deutschen Shows immer als der deutsche Superstar in Hollywood behandelt wird - durfte sich mal wieder zehn Jahre jünger fühlen und seinen 'Universal Soldier'-Auftritt wiederholen. Grimmig dreinblicken, ein bisschen die - mittlerweile doch arg erschlafften - Muckis aufpumpen und sterben. Wie toll er Todesszenen spielen kann, wissen wir seit 'Gladiator'. Dass Tara Reid in 'Alone in the Dark' eine Fehlbesetzung war, geben Sie selbst bei jeder gegebenen Möglichkeit zu Protokoll. In Zukunft dürfen Sie einen weiteren Namen auf diese Liste setzen: Natalia Avelon. Wer nimmt diesem zierlichen Püppchen denn die knallharte Söldnergeneralin ab, die, ohne mit der Wimper zu zucken, Kopfschüsse verteilt? Ich nicht.
Unfreiwillige Komik
Ihr Drehbuchtrio Michael Roesch, Peter Scheerer und Masaji Takei durfte ein weiteres Mal ran und ließ den Darstellern, die wirklich etwas können, nicht einmal die Chance, ihr Können unter Beweis zu stellen - so dünn die Dialoge und platt die Sprüche. Nicht selten drehten sich die anwesenden Journalisten peinlich berührt von der Leinwand ab oder verfielen in Gelächter. Wohlgemerkt nicht an den Stellen, wo es eigentlich angedacht war zu schmunzeln. Bestes Beispiel:
Held Jack Carver (Til Schweiger) und Journalistin Valerie Cardinal (Emmanuelle Vaugier) sind gerade eben den Söldnern des Doktor Krieger (Udo Kier) in eine Hütte entkommen und völlig durchnässt. Es ist bitterkalt.
Jack: „Du musst die nassen Klamotten ausziehen."
Valerie: „Okay, aber du musst dich umdrehen."
Valerie zieht sich bis auf die Unterwäsche aus, heimlich beobachtet von Jack. Sie legt sich ins Bett und bedeckt das nackte Fleisch mit einer dünnen Decke. Nun fängt Jack zu zittern an.
Jack: „Ich muss dringend die nassen Klamotten ausziehen, mir ist so kalt."
Jack zieht die Hose und das Hemd aus und fängt noch viel schlimmer an zu zittern.
Jack: „Du, mir ist so kalt. Wollen wir uns die Decke nicht teilen?"
Valerie: „Na gut."
Jack legt sich zu Valerie ins Bett. Beide zittern weiter.
Jack: „Damals, bei meiner Einheit, da hatten wir einen Trick, der nannte sich kollektive Blablabla." (Anm.: Mir ist doch tatsächlich der Ausdruck entfallen!!)
Valerie: „Löffelchen?"
Jack: „Wenn man es so ausdrücken will."
Valerie: „Hm, okay."
Jack und Valerie schmiegen sich aneinander.
Valerie: „Ist das deine Kanone?"
Jack: „Ja, ich nehm sie immer mit ins Bett."
Jack legt die Pistole zur Seite, schmiegt sich wieder an Valerie, beide küssen und lieben sich. Szenenende.
Warum nur?
Rätsel Nummer eins: Beide Charaktere haben sich in den Filmminuten davor nur gestritten und waren sich nie wirklich einig. Nachdem sie ein Bad genossen haben, scheint das kalte Wasser die letzten Hirnzellen vereist zu haben. Anders kann dieser Sinneswandel nicht erklärt werden. Rätsel Nummer zwei: 'Far Cry', das Spiel, findet in der Karibik statt. Ist es da nicht mollig warm? Jack Carver trägt die ganze Zeit Haiwaii-Hemden. Ach ja, der Film hält sich gar nicht an die Vorlage, sondern wurde an die kanadische Pazifikküste verlagert.
Dies ist nur ein Beispiel für die vielen, vielen schrecklichen Ungereimtheiten und Peinlichkeiten. Sprüche aus den 80ern, schnarchige Actionszenen und Musik, die sich zwar hübsch anhörte, aber nie zum Bild passen wollte. Und da wundern Sie sich, lieber Uwe Boll, warum niemand Ihre Filme zu schätzen weiß? Ich weiß es. Mit ziemlicher Sicherheit.
'Far Cry' startet in deutschen Kinos am 02. Oktober 2008.
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