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Test - Diplomacy is not an Option : Test: Wie ein neues Stronghold

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Wer sich noch an die ersten Stronghold-Releases erinnern kann, den müssen wir zunächst freundlich daran erinnern, bitte regelmäßig die ärztlichen Vorsorge-Untersuchungen wahrzunehmen. Die Zeit im Wartezimmer lässt sich dann gut damit vertreiben, zunächst in den wohligen Erinnerungen an den grafisch krümeligen, aber überzeugenden und übersichtlichen Burgenbau zu schwelgen – und dann zu seufzen, weil relativ schnell klar wurde, dass den Entwicklern von Firefly danach nichts mehr so richtig einfiel. Seit Jahren schickt sich Diplomacy is not an Option im Early Access an, diese Erbschaft in Würde anzutreten. Hohe Mauern, Horden verschiedener Gegner, Belagerungen: Hier ist alles dabei.

Das grundsätzliche Spielprinzip ist geschwind erklärt: Wir ziehen Wohn- und Produktionsgebäude für den zivilen Teil unserer Stadt hoch, auf Basis einer funktionierenden Wirtschaft haben wir dann genügend Nahrung, Rohstoffe und, nunja, Menschenmaterial für eine gut verteidigte Burg. Die beginnt mit ein paar Baumarkt-Hausmarke-Palisaden zwischen den nächsten gelegenen Felsen und ein paar Türmchen, auf die wir schlichte Bogenschützen stellen und vor denen flugs rekrutierte Ritter mit den ankommenden Feinden undiplomatisch um eine Lösung der Situation ringen.

Ein Spiel dieser Gattung muss mehrere Anforderungen erfüllen: Es hat die Burgenbau-Metapher selbst überzeugend umzusetzen. Der Aufbau meiner Anlage sollte optisch erkennbar sein und mich als heimischen Pantoffelburgherren mit Stolz erfüllen. Die weiteren Aufbauten brauchen dabei auch tatsächliche spielerische Auswirkungen - meterdicke Steinwände müssen den anmarschierenden Horden besser standhalten als die Streichholz-Palisaden der ersten Minuten.

Der eigentliche Kampf muss dabei sowohl die Epik und Dramatik der Situation verdeutlichen, als auch mindestens genug Übersicht und Eingriffsoptionen bieten, dass wir nicht einfach zum “Wird schon”-Zuschauer degradiert werden. Und schließlich: das Ganze hat natürlich die Pflicht, Spaß zu machen, die Motivation zum Optimieren, Weiterbauen und Nochmalversuchen zu liefern. Diplomacy is not an Option schlägt sich in diesen Disziplinen sehr gut, wenn auch mit ein paar Kerben im Gesamtgebilde.

Mehrstufiger Aufbau: Sieht nur gemütlich aus

Fast alle Zivil- und Militärgebäude im Spiel existieren in mehreren Stufen. Vom Holzfäller über das Wohnhaus bis zur Kaserne lassen sich die Gebäude höherstufig errichten oder später auch upgraden. Dafür gibt es natürlich leicht verschachtelte Voraussetzungen, insbesondere ein Hochleveln des Rathauses ist Pflicht und grob mit den verschiedenen Zeitaltern in Age of Empires vergleichbar.

Höherstufige Gebäude arbeiten effizienter, beherbergen mehr Menschen, erlauben das Rekrutieren besserer Einheiten oder das Erforschen noch schnuckeliger Verbesserungen. Auf richtige Produktionsketten wurde dabei verzichtet: Fischer, Beerenpflücker und Bauernhof liefern ohne Umwege zu einer hypothetischen Räucherei oder einer Mühle direkt und einfach Nahrung ab. Auch die Erzeugnisse unserer Bergwerke lassen sich direkt in Konstruktion, Forschung oder eben Rekrutierung umwandeln, ohne ein Sägewerk oder einen Schmied zu bemühen.

Ohne Herausforderung ist der Wirtschaftsteil dennoch beileibe nicht. Das hat mehrere Gründe. Zum einen steigen die Rohstoffanforderungen im Spielverlauf deutlich an, sodass es wirklich eine brummende Produktion braucht, um etwa die 600 Holzeinheiten für das dritte Rathaus-Upgrade bereitzustellen, ohne in ernsthafte Schwierigkeiten zu gelangen. Die Lagerkapazitäten für Nahrung und Rohstoffe reichen nicht ins Unendliche, zudem werden alle Produkte händisch abgeliefert, so dass wir um ein bisschen Logistikoptimierung für gut platzierte Kornspeicher und Lagerhäuser nicht umhinkommen.

Zum anderen müssen wir immer unsere unbeschäftigte Bevölkerung im Auge behalten – sind da keine Menschen mehr verfügbar, lassen sich die entsprechenden Gebäude gar nicht mehr errichten. Und da Menschen nur zu Beginn eines neuen Tages einziehen, gibt es hier durchaus Potenzial, sich in kleine Leerlaufphasen zu manövrieren, wenn wir (noch) nicht genügend Holz haben, um Wohnhäuser zu bauen, aber nicht mehr genug Bevölkerung für eine Holzfällerhütte. Solche Momente sind selten und sollen uns natürlich auch zu besserem Management erziehen, nerven können sie trotzdem.

Die grafische Gestaltung der Gebäude weist einige Niedlichkeiten auf, etwa die riesigen Fässer der Taverne (sorgt für weniger Nahrungsverbrauch im Umkreis) oder die Zeppeline des Marktplatzes (nur so lassen sich etwa Münzen, die Premium-Währung für besondere Wertgegenstände und -Einheiten) erzielen. Jedes Gebäude lässt sich einfach erkennen, unsere Burg bleibt stets deutlich und der Aufstieg der verschiedenen Klassen lässt sich auch gut ablesen.

Auch wenn ein paar Superkomfort-Funktionen wie der Blaupausen-Modus oder das kostenpflichtige Verschieben von Gebäuden wie in Anno 1800 fehlen: Der Aufbau-Teil überzeugt insgesamt, ohne zu sehr in den Hintergrund zu treten oder zu einfach daherzukommen.

Verteidigung ist der beste Angriff

Selbst in den einfachsten Challenges und Karten wird jedoch unmissverständlich kommuniziert, dass der Aufbau einer Burgenwirtschaft hier nicht dazu dient, eine fidele Mittelaltergesellschaft zu erzeugen und Frondienste zu maximieren. Nein, in Diplomacy is not an Option geht es darum, Heerscharen von Feinden gegen unsere Festungsmauern prallen zu lassen.

Dafür stehen uns fast die Hälfte des Baumenüs zur Verfügung. Ein Teil widmet sich den statischen Verteidigungsanlagen – wir ziehen Mauern, Türme und Eingänge hoch, zunächst aus Holz, dann aus Stein, dann aus noch mehr Stein. Auf den Türmen – leider nicht direkt auf den Mauern – lassen sich dann Fernkampf-Einheiten oder ballistische Geschütze platzieren, auf Wunsch sogar detailliert mit Positionszuweisung direkt auf den Zinnen. Zudem, sicher ist sicher, können wir vor den Mauern noch ein paar Fallen oder Minen aufstellen, um den unerwünschten Ankömmlingen weiter den Tag zu versauen. Und hinter unseren Mauern beharken wir sie von weiteren freistehenden Türmen.

Unsere Militär-Einheiten sind dabei wie in einem Echtzeitstrategiespiel üblich frei bewegbar – und in allen Karten lohnt es sich auch, mit ihnen die Gegend zu erkunden. So finden wir unterwegs Karren mit Rohstoffen (praktisch!) oder Rebellen-Lager (unpraktisch!), deren Erledigung uns aber mit Kristallen (leuchtend!) belohnt, die sich wiederum in Spezialfähigkeiten wie Meteoreinschläge (bumm!) „umtauschen“ lassen, wenn wir daheim einen Obelisken errichtet haben. Hier zeigt sich schön das ständige Wechselspiel zwischen Wirtschaft und Militär im Spiel.

Apropos zeigen: Auch wenn Grafik immer Geschmackssache ist – zumindest bei den Einheiten wäre definitiv mehr optische Eigenständigkeit möglich gewesen, Diplomacy is not an Option ergeht hier in einen recht typischen Indie-Look mit polygonarmen Figuren, der dem Rest des Spiels nicht gerecht wird.

Das Kampfsystem in Gänze wird seinem Kernauftrag vollkommen gerecht. Gerade in Karten mit stetig wachsender Anzahl an „Die Mauer muss weg“-Halunkenscharen fühlt es sich richtig gut an, die wachsende Macht der Verteidigungsanlagen zu erleben. Zunächst reichen gegen die schwächlichsten Rebelleneinheiten ein paar Holzwälle und ein paar Bogenschützen aus, später braucht es wirklich das gesamte Arsenal.

Zu sehen, wie die gegnerischen Truppen dezimiert werden, motiviert enorm – und falls es zu einem Durchbruch kommt, schnellt die Dramatik noch einmal deutlich nach oben. Mit den letzten Armbrustschützern und Axtwerfern abgewehrte Wellen sind pure Glückshormone! Ab und an helfen die Gegner unfreiwillig mit, wenn sie sich an einsamen Mauerstücken zu schaffen machen und uns so die Zeit geben, schnell ein paar Rettung-in-letzter-Minute-Truppen zu rekrutieren.

Ein klitzekleines bisschen mehr Kreativität beim Bau allein hätte den Aufbau noch einmal verbessern können. Warum können Einheiten nicht über die eigentlichen Mauern laufen? Warum lassen sich Mauern und Türme nicht in verschiedenen Höhen anlegen? Und wie wäre es mit einem kleinen Veteranensystem für unsere Einheiten? Ja, die Komplexität kann schnell ausufern, aber ein bisschen mehr Experimentierfreude hätte sicherlich nicht geschadet.

Geschichten aus dem Early-Access-Land

Diese grundsätzlich sehr soliden Komponenten des Spiels werden von einem sehr überzeugenden Gesamtkonzept zusammengehalten, dem man das lange Reifen im Early Access anmerkt. Das Interface bietet fast alle nötigen Funktionen unmittelbar, Bau- und Reparierprioritäten lassen sich schnell verändern, der aktuelle Forschungsfortschritt (ein Diplomatie-Menü gibt es natürlich nicht) ist direkt einsehbar. Ein paar kleine Verbesserungen zum Logistik-Management und Anwählen nicht genutzter Militär-Einheiten wären aber sicherlich noch denkbar.

Diplomacy is not an Option bietet einen ziemlichen Reichtum an Spielvarianz. Das beginnt bei Landschafts- und Gegnertypen und erstreckt sich bis zu den zahlreichen tatsächlichen Spielmodi. Eine klassische Kampagne um einen Bauernaufstand im Spätmittelalter: witzig und ideenreich, wenn auch in der narrativen Inszenierung etwas träge. Freies Spiel oder verschiedene Challenges, in denen sich alles konfigurieren lässt und aberwitzig hohe Schwierigkeitsgrade, alles ist dabei. Trotz der Möglichkeit für einfache Konfigurationsoptionen widmet sich das Spiel dabei insgesamt an jene, die eher etwas Herausforderung und „Arbeit“ im Spiel suchen, aber das macht es sehr gut.

Diplomacy is Not an Option - Unser Eindruck von der Early-Access-Version

Wir schauen uns die vor Kurzem gestartete Early-Access-Version des Burgbau-Strategiespiels Diplomacy is Not an Option an.

Greift zu, wenn...

… der Name Stronghold noch immer Pawlow’sche Reaktionen bei auch auslöst.

Spart es euch, wenn...

… für euch bei einem Burgenbau-Spiel gemütlicher Aufbau im Vordergrund stellen sollte und kämpfen eher nervt.

Fazit

Christian Burtchen - Portraitvon Christian Burtchen
Die Burg ruft

Obwohl der große Stronghold-Hype vor ein paar Jahr…zehnten an mir vorbeigegangen war, hatte vorher bereits Age of Empires 2 den grundsätzlichen Charme des Szenarios in mir geweckt. Aufbau, Tower Defense, Echtzeitstrategie – in Diplomacy is not an Option stecken drei gute, streckenweise sehr gute Aspekte. Jedes Scheitern in einer Mission oder Challenge lässt mich unweigerlich „Das kann ich doch besser!“ ausrufen und neu probieren, jedes Überleben triumphal vor dem Monitor entzücken.

Frei von Verbesserungspotenzial ist der Titel dabei nicht, insbesondere einige grafische Assets hätten sicherlich noch etwas Extra-Politur gebrauchen können. Und so solide die grundsätzliche Metapher umgesetzt ist, so sehr würde ich mir doch wünschen, dass es vielleicht doch noch einen Tacken besessener geht, wie etwa der Schlossbau in Manor Lords. Wären ein paar mehr Fallen, Zugbrücken-Mechaniken oder automatisch begehbare Mauern wirklich zu viel verlangt?

Aber klar, hier meckere ich auf hohem Niveau respektive hohem Gemäuer, denn ohne jeden Zweifel wird Diplomacy is not an Option all jenen enorme Freude bringen, die der Gedanke an ein kämpferisches Aufbauspiel reizt.

Überblick

Pro

  • enorm motivierendes Spielprinzip
  • weitgehend überzeugend umgesetzte Metapher
  • aufgeräumtes, komfortables Interface
  • viele Settings, Szenarien und Spielmodi

Contra

  • recht generische Low-Poly-Grafik
  • Leerlaufgefahr im Rohstoff- und Warenmanagement
  • gelegentliche KI-Aussetzer
  • Inszenierung der Kampagne stellenweise etwas lahm
  • etwas eintönige Musik

Kommentarezum Artikel

Diplomacy is Not an Option
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