Test - Dakar 18 : Die irrste Schnitzeljagd der Welt
- PC
- PS4
- One
Rallye mal anders. Ihr folgt nicht einfach irgendwelchen Sandstraßen, bei denen euer Navigator höchstens die Schwierigkeit der nächsten Kurve ansagt. Bei der Rallye Dakar heizt ihr durch Niemandsland. Ab durch die blanke Wüste mit nichts als einer Routenbeschreibung als Anleitung. Da kommt man nicht wegen der Wüstensonne ins Schwitzen, wie die Videospieladaption Dakar 18 eindrucksvoll beweist.
Dakar ist die Hauptstadt Senegals und seit dem Jahr 1978 eng mit einer der härtesten Rennsportveranstaltungen der Welt verbunden. Die Rallye hieß einst Paris-Dakar, wodurch der Name das Programm eindeutig kennzeichnete, nämlich eine Route von der französischen in die senegalesische Hauptstadt. Inzwischen stimmt das aber gar nicht mehr, denn die Rallye fängt weder in Paris an noch endet sie in Dakar. Terrordrohungen zwangen die Veranstalter dazu, den afrikanischen Boden zu verlassen. Nun findet Dakar in Südamerika statt.
An der Aufgabe änderte sich nicht viel. Noch immer geht es um das Durchqueren unwirtlicher Landstriche. Straßen werden auf dem Weg zum Ziel nur selten befahren. Es geht mehrere Hundert Kilometer querfeldein, mit nicht viel mehr als einer Streckenbeschreibung und einem Kompass. Verirrte Fahrer, kaputte Vehikel, übermüdete Teilnehmer – das ist hier ganz normaler Alltag, aber eben auch der Stoff, aus dem Abenteuer bestehen. Ein Abenteuer, das euch Big Moon Entertainment unter der Flagge von Deep Silver auf den heimischen Bildschirm bringen möchte.
Brennend heißer Wüstensand
Ein ganz schön gewagtes Unterfangen, denn selbst in einer videospieltypisch komprimierten Fassung ist ein solches Rennen kein Zuckerschlecken und Sitzfleisch braucht man als Spieler noch dazu. 75 Minuten durch einen unkenntlichen ockerfarbenen Landstrich düsen, um am Ende doch nur als Zehnter einzutrudeln? Das ist nur etwas für ein ganz spezielles Klientel. Trotzdem: Man kann sich auch als Einsteiger in das Spielprinzip hineinfressen, Ansprüche wachsen lassen und natürlich besser werden. Der Spaß an der Sache ist weit größer, als der eine oder andere anfangs vermuten mag, zumal mehrere Schwierigkeitsgrade den etwaigen Frust abmildern.
Ein Teil des Schwierigkeitsgrades kommt mit der Wahl des Fahrzeugs zustande. Geländewagen, Geländebuggy, Motorrad oder gar ein Quad? Der Unterschied liegt nicht nur in der Fahrweise, sondern auch in der möglichen Unterstützung. Ohne Beifahrersitz kein Navigator. Heißt also, ihr müsst den Routenplan selbst interpretieren.
Der Routenplan besteht aber nicht aus klar definierten Navigationspunkten, denn von denen gibt es in der Wüste nicht viele. Ein paar Piktogramme mitsamt Kilometerzahl und Kompasswinkeln müssen ausreichen. So verhält es sich jedenfalls in der Realität und in den höheren Schwierigkeitsgraden des Spiels. Einen sanfteren Einstieg gewähren Markierungen im HUD beziehungsweise auf der Kompassanzeige, denen ihr einfach nur folgen müsst.
Die Kompassmarkierungen in den Einsteigerklassen sollten aber nur als Starthilfe verstanden werden, denn wer Dakar 18 einzig und allein damit durchspielt, hat nur den halben Spaß erlebt. Dakar lebt von der Gefahr, sich in der Wüste zu verirren oder sogar irgendwo stecken zu bleiben. Das passiert tatsächlich auch einigen NPCs, denen man – der Realität getreu – aus der Patsche helfen kann, wenn man eine kollegiale Ader hat. Aussteigen, Abschleppkabel anlegen und den Karren buchstäblich aus dem Dreck ziehen? Ja, das geht! Im schlimmsten Fall bleibt ihr selbst stecken, müsst eine eurer Achsen eigenhändig aus dem Dreck schaufeln und den Wagen aus einer Grube schieben. Ganz normal bei einer Querfeldeinrallye!
Welche Düne meint er bloß?
Sobald ihr auf Einstiegshilfen verzichtet, erlebt ihr den wahren Nervenkitzel einer Dakar-Rallye, der vor allem durch mögliche Fehler in eurer Präzision entsteht. Eine Streckenangabe des Typs „bei Kilometer 327 auf Kompasswinkel 220 über die Düne, Gefahrenstufe 3“ mag für sich alleine stehend noch klar erscheinen, aber ihr müsst eine große Anzahl an Checkpoints möglichst genau passieren, um nicht disqualifiziert zu werden, und mit jeder neuen Routenänderung nach einem Checkpoint steigt die Gefahr von Folgefehlern.
Düst ihr bei einem geplanten Wendepunkt nur wenige Meter zu weit, so ändert sich bereits der Anfahrtswinkel auf dem Kompass um kleine Nuancen. Obendrein summieren sich die überflüssigen, zu viel gefahrenen Meter irgendwann zu Kilometern, sodass ihr euch nicht mehr komplett auf die Streckenbeschreibung verlassen könnt. Der gesuchte Checkpoint mag auf der Ideallinie bei Kilometer 320 liegen, aber auf eurem Kilometerzähler sind es wegen gewisser Umwege drei mehr.
Fahrt ihr an einem Checkpoint vorbei, so werdet ihr irgendwann darauf hingewiesen, dass ihr euch verirrt habt, und könnt euch an die letzte bekannte Station zurückversetzen lassen. Das kostet euch jedoch satte 15 Minuten virtuelle Spielzeit in der Etappenwertung, was bei den kürzeren Etappen einer Platzierung am unteren Ende der Tabelle gleichkommt. Wie bei echten Rallyefahrern wird Erfahrung zu einem bedeutenden Faktor. Einige Neustarts gehören zur Lernkurve dazu. Ein kleiner Preis im Vergleich zur echten Rallye, in der oft mehr als die Hälfte der Teilnehmer wegen Zeitversäumnissen aufgeben muss.
Die Uhr ist unbarmherzig, aber ihr dürft sie nicht mit grober Fahrweise bekämpfen. Auf der Spitze hoher Dünen müsst ihr bremsen, sonst fliegt ihr buchstäblich im hohen Bogen auf deren Kehrseite. Das beansprucht wiederum die Federung, die bei zur starker Belastung repariert werden muss. Ihr erledigt das per Knopfdruck in einem Untermenü, es kostet euch aber virtuelle Zeit. Und das ist nicht alles. Jedes erdenkliche Bauteil eures Fahrzeug wird strapaziert, vom Tank über das Getriebe bis zur Aufhängung. Geht euch unterwegs die Kohle für Ersatzteile aus, so nimmt euer Abenteuer ein jähes Ende.
Sand, Staub und Schmutz
Big Moon Entertainment fängt sowohl die Stimmung als auch die Belastung einer Rallye für Mensch und Fahrzeug hervorragend ein. Die Etappen sind selbstverständlich kürzer als in der echten Rallye Dakar und viele Randbedingungen mundgerecht zugeschnitten. Trotzdem kann man erahnen, was die wagemutigen Piloten dieses Wettbewerbs durchmachen.
Viele dieser Eindrücke kommen durch die stimmungsvolle Visualisierung zum Tragen. Natürlich darf man nicht zu viel erwarten, denn egal ob trockener, harter Boden oder feiner Sand, die Aussicht auf Wüste, Palmen und ein paar Felsen ist selten spektakulär. Es sind Kleinigkeiten, die den Unterschied machen. Matsch auf der Windschutzscheibe, aufgewühlte Sandpartikel, aufwirbelnder Staub, wenn sich der Wagen in eine Grube frisst.
Die akustische Untermalung tut ihr Übriges, um das Fahrgefühl durch sekundäre Eindrücke zu festigen. Man hat nie das Gefühl, festen Boden unter den Rädern zu haben. Selbst in felsiger Landschaft meint man, über die Landschaft zu schleifen, stets mit Sand, der im Getriebe knirscht. Euer Beifahrer liest nicht nur den Routenplan vor, er ist mit voller Begeisterung bei der Sache. Er feuert euch an, schneller zu fahren, oder beschwert sich, wenn ihr nach einem Sprung eine harte Landung hinlegt. Dakar 18 fühlt sich zwar nicht überall hyperrealistisch an (wobei das schwer zu bewerten ist, wenn man selbst noch keine echte Rallye gefahren ist), aber das Spiel vermittelt konstant einen hohen Grad an Intensität, der in der Regel stark motiviert.
Nachlässig ist dagegen die Aufschlüsselung einiger Details für Anfänger. Wo liegt der Unterschied zwischen der normalen Rallye und einer sogenannten Treasure Hunt? Warum verschwindet der WPS-Weganzeiger manchmal plötzlich vom HUD? Warum führt einen diese Anzeige bisweilen auf etwa 10 Quadratmetern sinnlos im Kreis?
Neben kleineren Zuweisungsproblemen mit Lenkrädern sind es solche Dinge, die stören. In Sachen Ungereimtheiten trifft es die Audioabteilung am ärgsten, denn sie ist bisher ausschließlich für Surround-Anlagen ausgelegt. Schaltet ihr eure PC-Beschallung auf Stereo um, könnt ihr den Beifahrer nicht mehr hören und müsst euch auf eingeblendete Untertitel verlassen. Solche Schnitzer zu verbessern wäre deutlich notwendiger als die angebliche VR-Unterstützung, die euch Steam bei jedem Hochfahren anbietet, die aber nicht im VR-Menü von Steam aktiviert werden kann. Warum das so ist, wissen nur die Programmierer.
Kommentarezum Artikel