Test - Cityconomy : Spielspaß auf dem Müll
- PC
Astragon ist der Nabel der Welt, wenn es um Alltagssimulationen geht. Der Landwirtschaftssimulator hat dem in Mönchengladbach ansässigen Entwicklerstudio traumhafte Verkaufszahlen beschert. Noch heute wundern sich zahlreiche Spieler über diesen Trend, doch einige Titel wie der Euro-Truck-Simulator 2 oder Automechaniker-Simulator wissen durchaus mit Spielspaß zu glänzen. Cityconomy hingegen ist eine einzige Beleidigung, sowohl für die Spielerzunft als auch für die echten Müllmänner, Gärtner, Klempner und Straßenkehrer, deren Alltag es als dröge Hölle darstellt.
Was für eine schöne Vorstellung: Wie Bob der Baumeister brummen wir mit bunten Lastern durch die Stadt. Fröhlich winken wir den Bewohnern zu, während wir ihre Nachbarschaft sauber halten. Mülltonnen leeren, Rasen mähen, Altglas und Papier einsammeln und sogar als Klempner mal ein Rohr verlegen - all das gehört zu unserem Tagewerk. So aufregend ist die facettenreiche Arbeit in den Entsorgungsbetrieben!
Schlob, der Baumeister
Leider spielen wir in Cityconomy nicht Bob, sondern, so scheint es uns, seinen desillusionierten Bruder Schlob. Der fährt lustlos und gelangweilt mit seinen Entsorgungstrucks durch eine potthässliche Stadt, in der er wie in einem bizarren Albtraum der einzige lebende Mensch zu sein scheint. Egal ob er am Steuer des Restmüllautos oder des Recycling-Lkws kauert, die Fahrzeuge steuern sich alle fürchterlich schwammig.
Eventuell leidet Schlob auch an beginnendem Sekundenschlafsyndrom, die Welt um ihn herum ruckelt und zuckelt nämlich immer wieder im Stop-and-go-Modus vor sich hin. So passiert es zwangsläufig, dass der gute Schlob ein Verkehrsschild nach dem anderen rammt - was den Laster jedes Mal abrupt ausbremst. Immerhin sind die Straßen bis auf ein paar Ausnahmen angenehm frei von störendem Verkehr.
Hässliche Grafikhölle
Eine andere Diagnose besagt, dass mit Schlob gesundheitlich alles in Ordnung ist, aber dass es zwangsweise zu Bildrucklern kommen muss, wenn eine antike Grafik-Engine musealen Zuschnitts, schätzungsweise aus dem Jahr 2001, von modernen Grafikkarten grausam in den Direct-X-11-Modus gezwungen wird. Von all den anderen optischen Entgleisungen wie plötzlich aufpoppenden Häusern oder dem lächerlich dilettantisch animierten “Straßenverkehr”, den das Spiel wie Pappaufsteller auf einem Rollbrett über die Straßen zieht, nimmt der depressive Schlob hingegen gar keine Notiz mehr.
Wie auch? Er hat ganz alleine den Job von drei oder noch mehr Müllmännern zu erledigen. Er fährt den Mülllaster, muss aber höchstpersönlich aussteigen, um an Ort und Stelle jeweils mit weit ausgebreiteten Gummiarmen die vollen Tonnen auf den Greifhaken seines Fahrzeugs zu wuchten. Nach vier Tonnen, die mit dem verwirrenden Navigationssystem auf Schlobs Tablet-Computer in den von Sackgassen nur so wimmelnden Straßen gar nicht einmal so leicht zu finden sind, ist jeweils ein Auftrag abgeschlossen.
Müll-Management
Sollte Schlob sich jetzt über die Erfahrungspunkte und das Geld freuen, die ihm das Spiel dafür zuschustert? Mitnichten. Die Skill-Punkte darf Bob in einen von fünf Fertigkeitsbäumen investieren, mit denen er noch mehr bunte Fahrzeuge freischaltet: für Gärtner, Müllfahrer, Klempner, Abschleppwagenfahrer und Straßenkehrer. Mit weiteren Skill-Punkten, die Schlob durch seelenlose, monotone Plackerei erhält, kann er später seinen Betrieb um automatisierte Kollegen erweitern.
Dass der Titel mit diesem Management-Aspekt irgendwie interessanter werden könnte, ist ein Trugschluss. Die KI-Kollegen sind genauso umständlich zu bedienen wie Schlob selbst und generieren, wenn wir sie für uns Arbeiten erledigen lassen, noch nicht einmal Erfahrungspunkte. Uns hat schon nach einer halben Stunde im Führerhaus das Grauen gepackt. Wie sehr würden wir uns wünschen, Schlob könnte einfach bei seiner Arbeitsstelle anrufen und sich bis zu seinem Renteneintritt krankschreiben lassen!
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