Test - Bleeding Edge : Overwatch-Konkurrenz von den Hellblade-Machern
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Mit Hellblade: Senua’s Sacrifice konnte Entwickler Ninja Theory ein fettes Ausrufezeichen in der Welt der Videospiele setzen. Während das Studio aktuell fleißig an einem Nachfolger für die nächste Xbox-Generation werkelt, entstand ein weiteres Spiel: Bleeding Edge. Eine abgefahrene Mischung aus Multiplayer-Brawler mit dezentem Overwatch-Einschlag. Beim Stil landet Ninja Theory erneut einen Volltreffer. Allerdings weht spielerisch zum Launch ein eher laues Lüftchen.
Mächtige Unternehmen halten ihren Daumen auf die Gesellschaft. Einige kuriose Charaktere planen den Aufstand, indem sie sich gegenseitig vermöbeln. Diese ausgetragenen Fight Clubs kommen bei der Masse gut an, es entwickelt sich eine Art rebellische Bewegung gegen die maßgeschneiderte Normalität der gierigen Firmen. Die sehen sowas natürlich gar nicht gerne.
Aber das ist nebensächlich. Die Rahmenhandlung spielt in Bleeding Edge natürlich keine große Rolle. Wichtig ist, was in der Arena passiert. Hier teilen sich acht Spieler in Viererteams auf und geben sich auf die Mütze. Bevor ihr in den Ring gelassen werdet, wählt ihr aus elf verschiedenen Helden einen aus.
Wer mit wem?
Die sind unterteilt in unterschiedliche Kategorien. Es gibt Damage Dealer, Tanks und Supporter. Da jeder Held über ganz eigene Fähigkeiten verfügt, spielen sich alle grundlegend anders, was die Abstimmung innerhalb des Teams zu einer essenziellen Komponente macht. So sollte etwa jedes Team immer jemanden dabei haben, der in der Lage ist, seine Mitstreiter aufzupäppeln.
Jedoch fehlt die Möglichkeit, schon vor der Partie eine Rolle festzulegen, damit ihr mit den dazu passenden Spielern in eine Gruppe kommt. Es kann also sein, dass jemand bei der Heldenwahl euch eure bevorzugte Rolle vor der Nase wegschnappt und ihr umdenken müsst. Das tritt unerfahrenen Spielern vors Schienbein, die sich gerade erst an einen bestimmten Charakter gewöhnt haben.
Die Hausregeln
In Bleeding Edge wird kein klassisches Team-Deathmatch ausgefochten. Ihr habt immer eine Aufgabe, die ihr als Team erfüllen müsst. In „Zielkontrolle“ werden regelmäßig wichtige Orte auf der Karte freigeschaltet, die es einzunehmen gilt. Wer die Kontrolle über die entsprechenden Fleckchen Erde hat, sammelt Punkte. Wer als erstes 600 Punkte erreicht, gewinnt.
Der zweite Spielmodus nennt sich Energiesammlung. Darin müsst ihr Container einsacken, die ihr an bestimmten Orten abladet, um für euer Team zu punkten. Eliminiert ihr Gegner, die Energiezellen bei sich tragen, könnt ihr sie danach abstauben. Außerdem zahlt es sich aus, Feinde zu verdreschen. Dafür wird ein kleiner Bonus auf dem Teamkonto gutgeschrieben. Das Team, das als erstes 50 Punkte anhäuft, geht als Sieger vom Feld.
Was die Abwechslung angeht, präsentiert sich Bleeding Edge zum Release überschaubar. Ein Ranglisten-Matchmaking oder Liga-System gibt es aktuell nicht, soll aber laut Entwickler nachgereicht werden. Ohnehin liegt das Spiel mit der Lanzeitmotivation im Clinch: Zwar sammelt ihr für jeden Charakter Erfahrung und schaltet mit der Zeit ein paar frische Skins, Mods oder neue Hoverboards frei, aber das war‘s auch schon.
Buntgemischte Truppe
Was den visuellen Stil betrifft, könnte man meinen, Jet Set Radio hätte mit Overwatch eine Wohngemeinschaft gegründet. In dieserlei Hinsicht hat sich Ninja Theory nicht im Geringsten lumpen lassen. Die komplette Welt sowie die elf verfügbaren Charaktere sprühen nur so vor pop-punkigem Flair. Da gibt es zum Beispiel den Graffitikünstler und Hacker Daemon, der aber auch mit einem Katana prima umgehen kann. Oder Dr. Ignatius Wright: der Geschichtsprofessor mit Voodoo-Wahn, der die Unsterblichkeit erforschte, 120 Jahre alt wurde und dessen Seele nach dem Tod in eine Roboterschlange verfrachtet wurde. Ihr seht schon: Die Riege an Helden in Bleeding Edge ist so richtig abgefahren.
Teamwork ist entscheidend
Ninja Theory setzt auf taktisches Gekloppe aus der Schulterperspektive, was für einen klassischen Multiplayer-Titel im ersten Moment etwas ungewöhnlich erscheint. Bleeding Edge inszeniert trotz des schrillen Rahmens ein vertrautes Bild, das dem Helden-Shooter Overwatch nicht unähnlich ist. So quatschen die Protagonisten beispielsweise vor einem Match ein bisschen miteinander, genau wie beim Genre-Primus aus dem Hause Blizzard.
Sich im Team abzusprechen, ist entscheidend. Wenn ein Spieler auf eigene Faust agiert, führt das nur selten zum Erfolg. Zum Glück fällt der Brawler nicht zu komplex aus: Es gibt eine Taste für den normalen Angriff, den ihr in Combos ausweiten könnt. Dann wären da die drei Spezialfähigkeiten, die jeweils mit einem Cooldown versehen sind. Eine mächtige Ultraattacke lädt sich mit der Zeit auf. Es geht also weniger um das Wie, sondern mehr um das Wann.
Das Spiel empfiehlt bei der Auswahl netterweise Helden, die leichter in der Handhabung sind als andere. Wer einfach nur effektiv schnetzeln möchte, ist unter anderem mit Daemon gut beraten. Wer als Heiler von Anfang an einen Beitrag leisten will, schlüpft in die Haut von Zero Cool. Maeve hingegen erfordert mehr taktisches Geschick und ein wachsames Auge auf die Cooldowns. Dafür lassen sich ihre Fähigkeiten clever kombinieren, um so das Schlachtfeld aufzumischen und die Gegner in Windeseile auszuschalten.
Ein bisschen mehr Schmackes, bitte!
Bei seinem Spielgefühl lässt Bleeding Edge allerdings Federn. Das Tempo fällt trotz einsetzbaren Hoverboards zur schnelleren Fortbewegung gemächlich aus, und den Kämpfen fehlt es an Schlagkraft. Der visuelle Stil ist so ausdrucksstark, aber die Action auf dem Bildschirm verhältnismäßig lahm. Als hätten die Entwickler das Gameplay in Ketten gelegt.
Das gilt vor allen Dingen für die Fernkämpfer. Ihr visiert mit dem linken Trigger den Gegner an und haltet die Angriffstaste zum Schießen gedrückt. Sofern sich ein Feind im Radius befindet, ist jeder Schuss ein Treffer. Das ist spielerisch seicht und fühlt sich auch so an. Als würde man mit Schaumstoffpfeilen aus Plastikknarren ballern. Auf der anderen Seite verhält sich das Anvisieren schwammig, da sich die Ziele nicht komfortabel umschalten lassen. In einem Pulk aus mehreren Spielern den richtigen Helden anzuvisieren, verkommt zum Glücksfall.
Ein Ping-System hilft bei der Kommunikation, funktioniert aber ebenfalls nicht ohne Probleme. Drückt ihr die untere Taste auf dem Digipad, hebt ihr ungenau irgendwas in der Landschaft hervor. In Kombination mit den anderen Knöpfen des Controllers lässt sich das Ganze präziser handhaben. Das hat jedoch zur Folge, dass ihr beim mühseligen Umgreifen des Pads im Eifer des Gefechts kurz stehen bleibt.
In der Werkstatt lassen sich die Helden mit Mods anpassen und optimieren. Ihr könnt so den Schadenswert oder die Lebensenergie aufstocken oder den Verteidigungswert erhöhen. Drei Mods dürfen gleichzeitig aktiviert sein. Mehrere Sets stehen zur Verfügung, um verschiedene Spielstile für den jeweiligen Charakter anzulegen. Aber das ist alles so nebensächlich eingebunden, dass man diesem Aspekt kaum Beachtung schenkt. Immerhin lässt sich alles ohne Echtgeld freispielen.
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