Test - Tomb Raider I-III Remastered : Test: Damals legendär, heute ein Fall für die extrastarke Nostalgiebrille
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Um Tomb Raider Remastered gerecht bewerten zu können, muss man Engelchen und Teufelchen zugleich sein. Das emotionale Engelchen weiß: Diese Klassiker würden kein Remaster erhalten, wenn es nicht um geliebte Retroschinken ginge. Außerdem: Wer würde Lara Croft den Status als Videospiel-Ikone absprechen wollen. Auf der anderen Seite sitzt derweil das rationale Teufelchen, schüttelt entsetzt den Kopf und fragt sich, wie man diese drei Spiele noch guten Gewissens auf die Menschheit loslassen kann.
Lara Croft konnte Vieles sein. Botschafterin fürs ganze Videospiel-Business der späten Neunziger, kantiges Pseudo-Sexsymbol, alternativer Indiana-Jones-Verschnitt und vielleicht sogar eine gute Videospiel-Heldin. Über Letzteres kann man aus heutiger Sicht allerdings streiten, denn während pixelige 2D-Games Mitte der Neunzigerjahre bereits einen Reifegrad erreichten, der nah an der Perfektion lag, waren 3D-Spiele noch lange nicht ausdefiniert. Lara Croft wanderte durch bauklotzartig zusammengewürfelte 3D-Umgebungen, die mit Müh und Not die Anforderungen eines Videospiels erfüllten.
So viel 3D wie damals möglich war
So harsch es auch klingen mag: Im Gegensatz zu Super Mario 64, dessen Grafik (beziehungsweise Leveldesign) sich streng der Spielbarkeit unterwarf, gestaltete Entwickler Core Design Tomb Raider so, wie es die limitierten Hardwareeigenschaften des Sega Saturn und der Sony PlayStation zuließen. Was nicht sehr viel war, denn 3D-Grafik konnte jeder, aber Bewegungsfreiheit in 3D war bis auf seltene Ausnahmen ein unerhörtes Feature, das viele grafische Opfer forderte. Core wollte keine Schlauchlevels, und so mussten Sichtweite und Detailgrad Federn lassen. In mehr als einer Hinsicht erinnert Tomb Raider heute an Minecraft, auch wenn die Designer versuchten, nicht alles streng rechteckig zu gestalten.
Außerdem benötigte ein Action-Adventure dieser Größenordnung Experimentierfreudigkeit mit der Steuerung, für welche die Spielgestalter bei Core Design gar keine Zeit hatten, weil Publisher Eidos das Werbe-Potenzial der Titelheldin Lara Croft schon vor der Veröffentlichung auspresste. Der Druck, das Spiel noch vor Weihnachten 1996 auf dem Markt zu bringen, war erdrückend, zumal der Sega Saturn durch einen sechswöchigen Exklusivdeal noch früher bedient werden musste.
Was Spieler vor 28 Jahren mangels besseren Wissens und möglichen Alternativen geflissentlich ignorierten, sticht heute hervor wie ein Pickel am Tag des Klassenfotos. Lara Croft steuert sich träge, steif und unbequem. Daran kann auch die optionale, als moderne Steuerung betitelte Abkehr von der Panzersteuerung nicht viel ausrichten. Die moderne Steuerung, die man im Optionsmenü aktivieren darf, ermöglicht zwar, Lara augenblicklich in jede beliebige Richtung zu dirigieren, aber sie steht dem Spieldesign an vielen Stellen im Weg.
Vor allem dann, wenn Lara sich akrobatisch von einer Kante fallen lassen und ihren Fall mit den Händen auffangen soll. Allein sie punktgenau mit dem Rücken zu einer Kante zu platzieren ist eine Qual. Mit der man sich über die Hälfte der Spielzeit auseinandersetzen muss, weil Sprünge pixelgenau erfolgen sollen. Lara kraxelt, klettert und hangelt sich durch etliche Schauplätze und strahlt dabei die Dynamik eines Rentners aus.
Es gibt Workarounds, die der modernen Steuerung entgegenkommen, aber es fühlt sich nie flüssig und natürlich an. Auch beim Ballern scheint die neue Steuerung hinderlich, weil sich Lara beim Umdrehen nicht auf den Widersacher fokussieren kann. In engen Umgebungen wird sie dann einfach überrannt, was angesichts der sowieso schon ungehobelten Kampfpassagen mehr Frust als Lust erzeugt.
Insbesondere Tomb Raider 2 kann den Geduldsfaden über das gesunde Maß hinaus beanspruchen. Mehr als herumhüpfen, um Gegnern auszuweichen, während man eine Fantastillion Kugeln in einen Körper jagt, ist nämlich nicht angedacht. Das Design ist ein Produkt seiner Zeit, und wer ehrlich ist, muss zugeben, dass es schon Ende der Neunziger anstrengend war, Lara durch ein Abenteuer zu bringen.
Wo Tomb Raider heute noch glänzt
Warum war Tomb Raider dann so beliebt? Und warum macht sich jemand die Mühe, ein Remaster der ersten drei Teile zu erstellen. Für eine Antwort auf diese Frage genügt ein einziges Wort: Atmosphäre. Sofern man Tomb Raider 2 ausklammert, das viel zu sehr auf sinnlose Ballerei vertraute, lebten Laras Grabräuber-Exkursionen stets von der Faszination der solitären Abenteuerlust. Besser als jedes offizielle Indiana-Jones-Spiel fing Core Design jene Magie ein, die Indys Abenteuer in den Filmen versprühten. Ein wilder Mischmasch aus Archäologie, heidnischem Kult und dem Nervenkitzel beim Entkommen aus aberwitzigen Todesfallen fesselte über Stunden an den Bildschirm.
Die Musik kam spärlich daher, aber sie setzte genau zum richtigen Zeitpunkt ein und nährte eine Sehnsucht nach ferner Exotik. Nach Abenteuern, welche die Spuren längst vergessener Kulturen offenlegten. Im Dschungel einem Hagel vergifteter Pfeile entkommen oder Metall auf der Hand des Midas zu Gold verwandeln – solche Dinge trafen die Grauzone zwischen Chemie und Alchemie, zwischen Wissenschaft und Aberglaube. Allein wegen solcher oft unausgesprochener Handlungsfacetten, die in einem Spiel viel immersiver wirkten als in einem Film, verzieh man Lara ihre träge Steuerung gerne.
Klar, man ärgerte sich die Krätze, wenn die spitzbusige Heldin eine gefühlte Viertelstunde nach dem letzten Speicherpunkt draufging. Man wünschte den Leveldesignern und sieben Generationen ihrer Nachfahren bei jeder nicht einsehbaren Todesfalle unheilbaren, übelriechenden Fußpilz an die Zehen. Doch definierte sich auch der Reiz des Spiels dadurch. Tomb Raider mag sich träge gespielt haben (und heute sogar noch träger anfühlen), aber am Design war nichts weichgekocht oder für Casual-Gamer heruntergebrochen. Sekundenbruchteile mussten ausreichen, wenn man aus einem Stachelbett floh oder anrollenden Kugeln entkommen wollte. Präzision gehörte zum Handwerk, wodurch jeder Sieg des Feierns würdig war.
Wer sich nach solchen Herausforderungen sehnt, findet in Tomb Raider Remaster zwar nichts faktisch Neues, aber vielleicht ein Add-on, das man damals verpasste. Die Add-ons der Klassiker, die es nur für den PC gab, dürfen im Startmenü jedes einzelnen Spiels separat gestartet werden. Und das ist nicht das einzige Upgrade für Konsoleros von einst. Jederzeit zwischenzuspeichern, was damals nur auf dem PC möglich war, gehört nun auch auf PlayStation, Xbox und Switch zum Standard, den man vor allem im bockschweren (wenn nicht sogar unfairen) Tomb Raider 3 am besten alle drei Meter auskosten sollte.
Durchwachsenes Grafik-Update
Nichts Neues also. Abseits der Grafik, freilich, die auf Knopfdruck zwischen einer Originalansicht und einem modernen Anstrich umschaltet - und sei es nur namentlich, denn die Original-Optik ist nicht so authentisch, wie man es uns weismachen will. Dafür ist die Sichtweite zu großzügig und Laras Shading zu akkurat. Ultrawide-Unterstützung gab es damals auch nicht, aber wer will denn kleinlich sein.
Die modernisierte Grafik? Öhöm … die ist im besten Fall bescheiden. Zwei Faktoren kassieren an dieser Stelle das größte Lob. Erstens: die neue Beleuchtung, welche gerade in den Grabkammern die Atmosphäre verdichtet, zeitweise aber auch das Erkennen von Pfaden erschwert, weil zu wenig Licht einfällt. Zweitens: Laras Erscheinungsbild, da es nun dem Modell entspricht, das in den Intro-Videos verwendet wurde. Genau diese Videos wurden hingegen nicht neu gerendert, sondern nur hochskaliert, was leider nicht zu übersehen ist, weil sämtliche Schriftzüge durch Lücken auffallen.
Dichtere Vegetation dank 3D-Modellen, ein paar zusätzliche Partikel wie fallender Schnee oder Wassertropfen (ähnlich wie man sie schon in Tomb Raider 4 vorfinden konnte, wenn Lara aus dem Wasser stieg) lassen sämtliche Level belebter aussehen, kollidieren aber zum Teil arg mit der groben Levelstruktur, die weiterhin überwiegend aus groben Quadern besteht.
Auch die erheblich schärferen Texturen sehen nur auf den ersten Blick schick aus. Auf großen Felswänden sieht man noch immer, wie sie durch stetige Wiederholung ein netzartiges Muster bilden. Ausnahmen bestätigen die Regel. Endlich eine Skybox beim Kampf gegen den T-Rex aus Teil 1 zu sehen, schafft zusätzliche Atmosphäre, und einzigartige Levelelemente wie etwa eine Aztekenscheibe kommen mit den scharfen Texturen sehr schön zur Geltung.
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Trotzdem: Insgesamt wirkt das alles eher zwanghaft aufgewertet als gestalterisch durchdacht. Gerade in Tomb Raider 3 wünscht man sich eher schönere Beleuchtungsverhältnisse als neue Texturen, die den Eindruck einer Fan-Mod erwecken. Was durchaus stutzig macht, denn es gibt auf dem PC ja schon Mods aus der Feder von Fans, die erheblich mehr beeindrucken. Beispielsweise durch Raytracing oder durch reiche Wasser-Effekte.
Beim offiziellen Remaster haben es sich die Designer leider allzu leicht gemacht. Das Attribut leidlich passt hier wie die Faust aufs Auge, weil eben nur so viel getan wurde wie absolut nötig, um der Bezeichnung Remaster gerecht zu werden. Ob ihre Mühen ästhetisch Sinn ergeben, war wohl ein zweitrangiger Gedanke.
30 Euro für drei Klassiker samt Add-ons sind nicht die Welt, daher können Fans damit trotzdem glücklich werden, schließlich läuft das alles selbst auf der schwachen Switch in superflüssigen 60 FPS. Auf dem PC sogar in der Maximalbildrate eures Monitors, sofern ihr Windows entsprechend eingestellt habt. Allerdings nur so lang der moderne Grafikanstrich zu sehen ist.
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