Preview - Lust From Beyond : Was für krankes Zeug haben wir da gerade gespielt?!?!
- PC
Lust from Beyond nimmt euch mit auf eine Reise, die sich nur schwer in Worte fassen lässt. Lovecraft-Horror über einen obskuren Kult vermischt sich mit exzessiver Erotik. Man kann es lieben, man kann es abstoßend finden, zweifellos wird man es aber nie wieder vergessen.
Was genau ist Lust from Beyond eigentlich? Nun, zunächst einmal ist es das Spiel ambitionierter Indie-Entwickler, das genau wie sein Vorgänger Lust for Darkness über Kickstarter finanziert wurde und sich dort binnen kürzester Zeit bereits das Dreifache der Wunschsumme sichern konnte. Der Rest ist gar nicht so leicht in Wort zu fassen. Mittlerweile habe ich die vorliegende Demo zwei Mal durchgespielt, für jeden der beiden Durchläufe mehr als eine Stunde benötigt und bin gleichermaßen verstört wie fasziniert. Grob gesagt liegt Lust from Beyond wohl irgendwo zwischen erotischen Fetischfantasien und Gewalt-Horror mit einer Priese okkultem Grusel aus dem Lovecraft-Kosmos.
Alles nur ein Traum?
Gleich die erste Szene gibt einen umfangreichen Vorgeschmack auf das, was euch im Laufe des Spiels in regelmäßigen Portionen erwartet: explizite Nacktheit, obskure Sex-Folter-Methoden und eine albtraumhafte Umgebung. Unbekleidet wie Gott ihn schuf liegt der männliche Protagonist auf einer Pritsche. Seine Hände und Füße sind zwar frei, nicht jedoch seine Männlichkeit, die von einer riesigen Saugglocke festgehalten wird. Nachdem ich mich davon befreien konnte, suche ich die surreal gestaltete Umgebung, die wie das Nest der Alien-Königin wirkt, nach einer Möglichkeit ab, den Raum zu verlassen. Ist das geschafft, stellt sich heraus: Die Szene wirkte nicht nur wie aus einem Albtraum, es war auch einer ...
Ich erwache in einem Haus, einem prunkvoll ausgestatteten Anwesen, das ich zusammen mit diversen anderen Personen zu bewohnen scheine, die alle einem exzentrischen Kult angehören. In seinen ersten Szenen spielt sich Lust from Beyond wie ein Walking-Simulator. In einer Langsamkeit, die die Nerven geradezu strapaziert, schlurfe ich durch die Gänge der Villa und öffne mit der etwas kniffligen Steuerung Türen, Schränke und Schubladen. Dabei fällt mir unter anderem ein Brief meiner Familie in die Hände, die mich inständig beschwört, mich aus den Klauen dieser gefährlichen Sekte zu lösen. Danke für den Hinweis, aber dass hier etwas nicht stimmt, war mir schon in den ersten fünf Sekunden klar.
Wenn ihr denkt, ihr habt schon alles gesehen ..!
Es dauert nicht lange, bis mir ein Mitbewohner begegnet, der Schach spielt. Mit sich selbst. Und das ist in dem Fall ganz und gar wörtlich gemeint: Der gute Mann trägt zwei Köpfe auf den Schultern, die jeweils eigenständig denken. Er braucht folglich gar keinen anderen Gegenspieler.
Nahezu alle Charaktere, denen ich im Folgenden begegne, verfügen über ähnliche exzentrische bis abartige Besonderheiten. Doch auch abseits seines illustren Figurenensembles ist das Spiel von Anfang an um eine unheimliche Grundstimmung bemüht: Türen, die plötzlich zufallen, Schreie hinter verschlossenen Zimmern und Blutspuren am Boden. Und die Sexmaschine auf dem Dachboden nicht zu vergessen, die einen leblosen Körper im Endlosmodus penetriert ...
Eine weibliche Kultanhängerin fragt mich, ob ich die Nacht mit ihr verbringen will. Leider darf ich die Frage nicht bejahen, denn mein Charakter entscheidet sich automatisch dagegen, schließlich stehe eine wichtige Zeremonie an. Was da passiert und weshalb sie eigentlich abgehalten wird, scheint nicht mal dem Protagonisten so richtig klar zu sein. Vielleicht hätte er sich anders entschieden, wenn er im Vorfeld schon gewusst hätte, dass er nach Beendigung des Rituals in Ohnmacht fällt. Ob es an dem komischen Gebräu liegt, das es zu trinken gab, oder an der Erschöpfung oder dem komischen Lustgott, den hier alle anbeten, weiß ich nicht. Ich bin auch nicht sicher, ob ich das so genau wissen möchte.
Kaum wieder aufgewacht, fahre ich damit fort, neugierig die Villa zu erkunden. Im Zimmer direkt nebenan hat der zweiköpfige Mann gerade ein paar lustvolle Augenblicke mit einer anderen Bewohnerin. Dass ich mich direkt neben das Bett stelle und den beiden dabei zusehe, stört hier niemanden.
Doch das ist gar nichts verglichen mit dem, was mich im Erdgeschoss erwartet: eine waschechte Orgie. Auf der Couch und so ziemlich jeder Sitzgelegenheit, die zur Verfügung steht, stapelt sich regelrecht das nackte Fleisch und jeder bekommt, was ihm wohl gut gefällt. Insgeheim hoffe ich, wenigstens eine scherzhafte Trophäe zu erhalten, wenn ich mir das ausufernde Treiben ein paar Momente länger ansehe, als ich eigentlich sollte. So wie bei Lollipop Chainsaw, wenn man der Protagonistin ein Sekündchen zu lange unter den Rock schielt.
Überraschenderweise wirken die exzessiven Sexszenen weder billig noch plakativ. Zumal sich die Darstellung ohnehin weitgehend auf die rhythmischen Bewegungen der Beteiligten beschränkt und ansonsten höchstens mal eine unbekleidete Brust ins Bild springt. Explizite Nacktaufnahmen der Geschlechtsteile müsst ihr schon mit der Lupe suchen.
Vergesst nicht, es ist ein Horrorspiel
In regelmäßigen Abständen wird der Protagonist in eine Art Zwischenwelt versetzt – die gleiche, in der er sich schon am Anfang des Spiel befand. Wer, was, wieso und warum, ob es sich dabei um einen Albtraum, eine Paralleldimension oder Wahnvorstellung handelt, habe ich auch beim zweiten Durchspielen der Demo nicht hundertprozentig verstanden. Stilistisch erinnert sie an die Werke von Alien-Schöpfer H.R. Giger oder den letztjährigen Horror-Reinfall Agony: eine Welt geformt durch überall pulsierenden Glibber, bizarr entstellte Wesen und Wände, die wie menschliche Schleimhäute aussehen. In jenen Abschnitten wird nicht mit Jumpscares gespart und spätestens dort bereue ich es, der „Spiele am besten mit Kopfhörern und in der Dunkelheit“-Empfehlung zu Beginn Folge geleistet zu haben.
Doch als ich schon glaubte, nun so ziemlich alles gesehen zu haben, das ich eigentlich nie sehen wollte, erwartet mich das große Finale der Vorschauversion, das nochmal all das in geballter Form auffährt, was es zuvor nur in Häppchen servierte: übersinnlicher Schrecken, bizarre okkulte Praktiken, hemmungsloser Sex und mittendrin ein Monster, aus dessen Bauch sechs (oder waren es acht?) Arme ragen und das den Ausdruck „Sex und Gewalt“ absolut wörtlich zu meinen scheint.
Übrigens: Wer sich lediglich auf den Horror-Aspekt des Spiels konzentrieren und dabei keine nackten Körper sehen möchte, der kann sie direkt zu Beginn des Spiels ausstellen. Dadurch werden alle Nacktszenen verpixelt dargestellt. Doch warum sollte man dann überhaupt solch ein Spiel kaufen? Diese Frage ist wahrscheinlich die rätselhafteste unter den vielen Fragen, die Lust from Beyond umwehen.
Faszinierend, wie sich jemand solche Dinge ausdenken kann. Und zeitgleich verstörend, dass sich jemand solche Dinge ausdenkt. Ich bin auf jeden Fall gezeichnet von dieser Erfahrung und werde Lust from Beyond so schnell nicht wieder vergessen können.
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