Special - gamescom 2012 : Tod mit Ansage
Das Gleiche kann uns jetzt auch in Deutschland blühen. In Zeiten von Massenentlassungen und Firmeninsolvenzen wollen Publisher gern Kosten sparen. Warum also in einen teuren Messestand investieren, wenn man sein Line-up auch in einem schnuffigen Konferenzraum zeigen kann? Das kommunizieren die Publisher so natürlich nicht in der Öffentlichkeit. Die Verklausulierung liest sich dann so, dass man Konsumenten, Medienvertretern und Retail-Partnern im Rahmen kleinerer, lokaler Veranstaltungen die Möglichkeit bietet, die neuesten Produkte zu erleben. So jedenfalls die aktuelle Stellungnahme des vorerst aktuellsten Gamescom-Schwänzers Microsoft.
Es droht also eine mehrtätige Tour durch Konferenzsäale und Tagungsräume für Fachbesucher und Presse, bei der die Öffentlichkeit schön draußen bleibt. Die sollen den Kram gefälligst abends im Fernsehen glotzen. Das geht dann ein oder zwei Jahre gut, bis die Publisher merken, dass niemand ihre neuen Spiele (oder noch schlimmer: die neue Konsole) kennt. Dann wird mal wieder ganz bitterlich geweint und die letzten Cent werden zusammengekratzt - und siehe da: Die gamescom (oder wie immer die Messe dann heisst) erstrahlt wieder in altem Glanz. Geschichte wiederholt sich also wohl auch in dieser Branche.
Keine Hardware - na und?
Interessanter finde ich die Frage, ob es zukünftig überhaupt ein Riesenverlust wäre, wenn keiner der Hardware-Hersteller mehr auf einer Messe antanzt. Ich denke nicht. Zukünftig wird es nämlich nicht mehr viel an Hardware geben, was man zur Belustigung des spielenden Volkes in schmucke Glaskästen und Schauräume stellen kann. Das Gehäuse, die Verpackung, die Hülle wird immer unwichtiger. Das gilt nicht nur für Spiele, sondern auch für Hardware. Was mehr denn je zählt, sind zukunftstaugliche Konzepte. Wie bringe ich dem Konsumenten die neuen Spiele am besten per Stream oder Download ins Wohnzimmer? Zu welchem Preis? Mit welchem Geschäftsmodell? Es geht nicht darum, die neue Xbox oder PlayStation mit möglichst sinnvoll gesetzten Controller-Steckplätzen auszustatten. Es geht darum, ein sinnvolles, benutzerfreundliches Äquivalent zu Apples App-Store zu entwickeln.
Die sogenannten Big Player der Computer- und Videospielindustrie von heute könnten morgen schon von Unternehmen wie Gaikai, Apple oder OnLive an den Rand gedrängt werden. Bezeichnend finde ich, dass Samsung erneut auf der gamescom vertreten sein wird. Die werden dort erstmals einem europäischen Publikum zeigen, dass ihre TV-Geräte ab Werk dank der Unterstützung von NVIDIA so ausgestattet sind, dass man als Käufer einer Samsung-Glotze sofort auf das Spieleangebot von Gaikai zugreifen kann. Wer gestern noch eine reine Nebenrolle in der Branche gespielt hat, kann zukünftig zum wichtigsten Hauptdarsteller werden. Und umgekehrt.
Kein Grund zum Trauern
Was lernen wir also aus der ganzen künstlichen Aufregung und der Hochkocherei um die Absagen der Publisher? Zum einen, dass es die Hersteller eigentlich besser wissen und nicht erst auch die zweite wichtige Leitmesse zur glanzlosen, trockenen, langweiligen Fachkonferenz verkommen lassen sollten, bis sie das nötige Kleingeld für einen ordentlichen Messeauftritt locker machen. Zum anderen, dass es inzwischen nicht mehr darum geht, ein hübsches Gehäuse mit viel Tamtam auf einer Messebühne zu enthüllen und mit besseren Chips und noch tollerer Grafikkarte zu protzen.
Es geht zukünftig darum, wie man digitale Inhalte mit der Marke Xbox oder PlayStation so anbietet, dass der spielende Kunde bereit ist, dafür einen Geldbetrag auszugeben, der momentan übliche Beträge für Download-Inhalte übersteigt. Es geht um nicht mehr und nicht weniger als die Zukunft dieser Industrie. Und darum, wie sich diese im Umbruch befindliche Industrie die nächsten Jahre gegenüber der Öffentlichkeit präsentieren will.
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