Test - Divinity 2 – Ego Draconis : Die Rollenspielüberraschung des Jahres?
- PC
Es ist noch gar nicht so lange her, da sah es so aus, als würden Rollenspiele für Solisten aussterben. MMORPGs waren vorherrschend und echte Rollenspiele waren Mangelware. Zum Glück war dies nur eine kurze Phase, denn derzeit hat der Spieler schon fast die Qual der Wahl: Dragon Age, Risen oder Divinity 2? Zumindest zeitlich hat dtp die Nase vorn und veröffentlicht nun mit Divinity 2 ein Rollenspiel, das so manch eine Überraschung bietet.
In einem unbekannten Land
Die Anfangsgeschichte von Divinity 2 ist einfach zusammengefasst: Rivellon war einst ein Land voller Drachen, die allerdings allesamt von den angesehenen Drachentötern gejagt und erlegt worden sind. Welchen Motivationen diese Drachentöter folgten, erfährt der Spieler leider erst mal nicht. Es bleibt also unbekannt, ob man mit einem fröhlichen „Waidmannsheil" zur nächsten Drachenjagd eilte oder ob die mächtigen Echsen aggressive Intentionen hatten. Unser Held hat gerade seine Ausbildung als Drachenjäger hinter sich gebracht - dumm nur, dass es nur noch ein lebendes Viech von der Sorte in Rivellon gibt. Als frisch gebackener Drachentöter werden wir dann auch noch für investigative Aufgaben eingesetzt, während unser restlicher Orden zur fröhlichen Jagd bläst. Aber ein Schuft, wer Böses dabei denkt, denn letztendlich kommt doch alles ganz anders, als man es vermutet hätte ...
Ein Held wird geboren
Bei unserer Charaktererschaffung zu Beginn ist erst mal Minimalkost angesagt. Wer ein umfangreiches Klassen- oder Rassensystem erwartet, der wird hier leider enttäuscht. Auch die optischen Mittel sind sehr - nennen wir es mal höflich: bescheiden. Bis auf wenige Frisuren, Bärte und Narben lässt sich wenig bis nichts auswählen. Danach legen wir noch eine Stimme fest, was aber herzlich sinnlos ist, da unser Held in Dialogen eher von der schweigsamen Sorte ist und nur in Kampfsituationen mal karge Kommentare von sich gibt. Zumindest dürfen wir unserem Alter Ego noch einen Namen geben.
Wie bereits erwähnt gibt es kein Klassensystem. Dafür trumpft Divinity 2 mit einem gelungenen Fertigkeitensystem auf. Unser Charakter entwickelt sich also in die Richtung, wie wir sie bei jedem Stufenaufstieg mit unseren vergebenen Fertigkeiten festlegen. Dies hat den Vorteil, dass man in seiner Entwicklung sehr frei ist. Die Fertigkeiten werden dabei in verschiedene Untergruppen unterteilt: Magier, Waldläufer, Priester und Krieger. Hier kann man sich austoben, wie man möchte, sollte sich aber auf höchstens zwei Gruppen spezialisieren, weil man sonst nur schwerlich die stärkeren Fähigkeiten freigeschaltet bekommt. Zudem ist man für die späteren Disziplinen auf Lehrmeister angewiesen, die natürlich auch etwas Lehrgeld haben möchten.
Ich weiß, was du denkst
Anfangs sind wir noch etwas grün hinter den Ohren, sind als frischer Drachentöter aber mit den Fähigkeiten des Gedankenlesens und der Geisterwahrnehmung ausgestattet. Vor allem das Gedankenlesen spielt eine sehr große Rolle, denn Divinity 2 legt Wert darauf, dass sich Quests auf verschieden Arten lösen lassen. Oftmals lohnt es sich, in den Geist seines Dialogpartners zu blicken, denn wie sagte Dr. House so passend: „Jeder Mensch lügt." So gelangen wir an brauchbare Informationen, die uns im Gespräch Zugriff zu ganz neuen Auswahlmöglichkeiten bringen.
Doch Vorsicht: Damit man nicht als Gedanken lesende Bestie durch die Welt schlüpft, kostet uns dies jedes Mal Erfahrungspunkte. Bei besonders willensstarken Charakteren ist ein Erfolg zudem nicht garantiert und die Punkte sind trotzdem verloren. Es muss also mit Bedacht spioniert werden.
Trau, schau, wem
Unsere ersten Schritte im Dorf Trümmertal verbringen wir damit, dass wir die Bewohner nach Drachensichtungen befragen. Wie es sich für ein gesundes Rollenspiel gehört, haben diese Dörfler zum einen viel zu erzählen, zum anderen noch ganz andere Probleme, um die wir uns gerne kümmern. Hier legt der Spieler erste Grundlagen für seinen Helden und macht sich mit dem Kampfsystem vertraut, das ähnlich wie bei der Gothic-Reihe funktioniert. Große taktische Finessen sind im Kampf also nicht nötig, es zählt nur, wie man seine Fähigkeiten verteilt. Mit über 50 Fähigkeiten kann man hier aber einiges kombinieren und dürfte so manches Mal, an den Fingernägeln knabbernd, vor dem Steigerungsbildschirm hocken.
Dabei wissen die zahlreichen Quests durchaus zu gefallen, sind durchdacht und lassen sich, wie bereits erwähnt, oftmals auf unterschiedliche Weise lösen. Wir können brachial vorgehen, diplomatisch oder auch gerne mal hinterhältig - die Vorgehensweise ist variabel. Ein allgemeines Gut-oder-böse-System gibt es leider nicht und die Bewohner von Rivellon reagieren meist gleich auf uns - schade. Hingegen können frühe Entscheidungen später bereut werden, denn abhängig davon, wie wir uns entscheiden, kann uns dies im späteren Verlauf noch mal zum Problem werden. Verhalten wir uns irgendwelchen Gruppierungen gegenüber etwas forsch oder wenden uns direkt gegen sie, dann ist es möglich, dass man ihnen im späteren Verlauf des Spiels noch mal begegnet - und so mag es durchaus vorkommen, dass man seine anfängliche Handlungsweise verflucht.
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