Test - Deathloop : Das außergewöhnlichste Actionspiel des Jahres
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„Deathloop ist ein seltsames Spiel“, schreiben die Entwickler einleitend in einem Brief, der dem Testmuster beiliegt und bringen im Absatz danach ihre Verzweiflung zum Ausdruck, wie man ein solches Spiel, nein, ein solches „Monster“, wie sie es nennen, jemandem erklären soll, der es nicht selbst gespielt hat. Denn Deathloop ist nicht nur ein seltsames, sondern vor allem auch ein höchst ungewöhnliches, einzigartiges, in mancherlei Hinsicht gar radikal anderes Spiel. Ich habe es mehrfach durchgespielt und werde im Folgenden den Versuch unternehmen, das „Monster“ für euch zu zähmen.
Fangen wir einfach mit der Story an, um dem Ganzen einen Rahmen zu verpassen: Wir befinden uns auf der Insel Blackreef, die von einer gigantischen Maschine in einer Zeitschleife festgehalten wird. Damit erhoffen sich ihre Bewohner eine Art von Unsterblichkeit, indem sie denselben Tag immer und immer wieder erleben und ihn in eine nie enden wollende Party verwandeln.
Ihr spielt Colt, der am Anfang jenes endlosen Tages am Strand erwacht, sich an nichts erinnern kann und nur eines weiß: Er muss die Zeitschleife unterbrechen. Wie wir schnell herausfinden, ist das nur zu bewerkstelligen, indem wir acht Anführer ausschalten, die sogenannten Visionäre, die durch ihre pure Existenz die Zeitschleife aufrecht erhalten. Nur wenn es Colt gelingt, alle acht Visionäre innerhalb eines Tages zu meucheln, ist er in der Lage, dem ewigen Kreislauf ein Ende zu setzen.
Doch das ist zunächst ein Ding der Unmöglichkeit: Denn natürlich sind die Visionäre überall auf der Insel verstreut. Zu wenig Zeit, um sie alle bis zum Abend auszuschalten. Darum muss Colt die verschiedenen Zeitschleifen nutzen, um Informationen über sie zu sammeln und herauszufinden, wie er die Ereignisse des Tages zu seinen Gunsten verändern kann. Die Entwickler bei Arkane bezeichnen ihr Spiel daher gerne als „Murder Mystery Puzzle“: Es geht nämlich nicht einfach nur darum, wie „Hitman“ Agent 47 einer Zielperson nach der anderen das Lebenslicht auszuknipsen. Vielmehr sammelt ihr Informationen über eure Attentatsziele, um nach Vorbild des Schmetterlingseffekts durch kleine Eingriffe große Veränderungen im Tagesablauf zu erreichen, zum Beispiel indem ihr mehrere Visionäre auf eine Party lockt, wo ihr sie gleichzeitig aus dem Verkehr ziehen könnt.
Deathloop ist dadurch eben kein Roguelike wie der Zeitschleifen-Shooter Returnal – was viele Spieler im Vorfeld aufgrund der ähnlichen Thematik befürchtet hatten. Stattdessen dienen euch die Zeitschleifen dazu, die Insel zu verschiedenen Tageszeiten an verschiedenen Orten zu erkunden, um Informationen und Ausrüstung zu sammeln, die euch an anderer Stelle und zu einer anderen Zeit weiterhelfen. Es geht darum, die Aufenthaltsorte eurer Zielpersonen in Erfahrung zu bringen, ihre täglichen Routinen auszukundschaften, ihre Stärken und Schwächen zu erfahren und schließlich herauszufinden, wie ihr sie aus ihrem Versteck und in eure Falle lockt, um sie schlussendlich am finalen Tag allesamt am Stück zu erledigen.
Jeder Tag ist dazu in vier Abschnitte unterteilt, die ihr euch quasi wie ein abgeschlossenes Kapitel vorstellen könnt: Morgen, Mittag, Nachmittag und Abend. Zu jeder dieser Tageszeiten lässt sich eine von vier Regionen ansteuern, in der ihr den Tagesabschnitt wie in einem größeren Dishonored-Level verbringt. Da ist zum einen die belebte Innenstadt mit ihrer Bibliothek im Zentrum und dem riesigen Anwesen am Stadtrand. Die felsigen Klippen mit ihren Bunkern und Sendemasten. Das Hafenviertel mit seinem angeschlossenen Vergnügungszentrum. Und die Forschungsanlage, die auch die gigantische Zeitmaschine beherbergt.
Vier Regionen zu vier unterschiedlichen Tageszeiten – macht also insgesamt 16 „Level“, die ihr zu Beginn jeder Mission gezielt anwählen könnt. Denn jede Region verändert sich selbstverständlich im Laufe des Tages stark: Während etwa morgens auf dem Marktplatz emsig die Vorbereitungen auf die große Party im Gange sind, wird dort abends ordentlich gefeiert. Während die Insel morgens noch verschlafen und unschuldig wirkt, wurde sie vielerorts bis zum Abend komplett demoliert und in einen Hort von Anarchie, Zügellosigkeit und Gewalt verwandelt – schließlich muss sich in einer Zeitschleife niemand um den Kater am nächsten Morgen sorgen. Oder gar das eigene Ableben.
Eine Schnitzeljagd durch Raum und Zeit
Doch wie läuft ein solcher Tag für den Spieler eigentlich ab? Nun, zunächst einmal: Das Spiel lässt euch in der Welt von Deathloop zwar viele Freiheiten, aber nicht alleine. Stattdessen hält es eure unterschiedlichen Missionsziele fein säuberlich im Questlog fest, gibt euch mit Zielmarkierungen die Richtung an und schreibt jede nützliche Information automatisch mit, damit ihr immer ungefähr wisst, was ihr tun müsst, um den verschiedenen Handlungsfäden zu euren Attentatszielen zu folgen. Wenngleich ihr stets die Wahl habt, welchen Ort ihr zu welcher Zeit mit welchem Missionsziel aufsucht, ist Deathloop im Kern nichtsdestotrotz ein halbwegs linearer, story-driven Singleplayer-Shooter.
Es ist fast unmöglich, dies zu beschreiben, ohne zu viel von der Geschichte und den Lösungsmöglichkeiten spoilern, daher halte ich mich im Folgenden bewusst wage und verkürzt. Ein möglicher Tag in Blackreef sieht dann zum Beispiel so aus: Am Morgen infiltrieren wir das Labor der Wissenschaftlerin. Allerdings wird dieses stark bewacht, weswegen sich keine günstige Gelegenheit für ein Attentat bietet. Also durchsuchen wir ihre Unterlagen und finden heraus, dass sie gegen Abend allein in ihrer Wohnung eine geeignetere Zielscheibe abgibt. Doch noch besser wäre es, wenn wir sie irgendwie dazu bringen würden, auf die große Party am Stadtrand zu gehen, wo wir sie zusammen mit dem Gastgeber wie zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen können.
Also reisen wir zu einer bestimmten Uhrzeit an einen bestimmten Ort, um ihren Mailverkehr zu lesen und so ein paar Details über ihre privaten Leidenschaften in Erfahrung zu bringen. Mit diesen Informationen spulen wir die Zeitschleife zurück auf Anfang, hacken uns in die morgendliche Radioshow und kündigen dort ein Highlight an, das sie auf die Party lockt. Zielperson #1 läge damit auf unserem Silbertablett bereit zum Attentat – fehlen noch sieben.
Deathloop ist gewissermaßen eine Schnitzeljagd durch Raum und Zeit. Jede Information, die ihr sammelt, indem ihr Dokumente lest, an geheime Orte vorstoßt oder Gespräche belauscht, bringt euch irgendwo irgendwann irgendwie weiter – egal ob in dieser Zeitschleife oder der nächsten. Wenn ihr einem zum Tode verurteilten Kultisten am Morgen das Leben rettet, könnt ihr ihn am Nachmittag aufsuchen und von ihm die Zahlenkombination zu seiner Wohnung in Erfahrung bringen. In der nächsten Zeitschleife lassen wir ihn einfach wieder sterben und verschaffen uns nun mit der erbeuteten Nummer unbehelligt Zutritt.
Nach und nach findet ihr so die Stellschrauben heraus, an denen ihr drehen müsst, um die Ereignisse in der Zeitschleife zu verändern, bis ideale Bedingungen hergestellt sind. Bis dahin habt ihr eure Zielpersonen diverse Male an unterschiedlichen Orten und zu unterschiedlichen Zeiten gemeuchelt. Denn was sich bis dahin wie ein reines Adventurespiel im Stile von Outer Wilds oder The Forgotten City angehört haben mag, ist in erster Linie natürlich ein Sandbox-Actionspiel nach dem Vorbild von Hitman und Dishonored.
Ein typisches Spiel nach meisterlicher Arkane-Machart
Ein Großteil des Spiels besteht darin, zu euren Attentatszielen vorzudringen, den idealen Weg ausfindig zu machen, sich an den Wachen vorbeizuschleichen oder sie mit Waffengewalt aus dem Weg zu räumen, im geeigneten Moment auf eine möglichst clevere Art und Weise zuzuschlagen – und natürlich unbeschadet wieder zu entkommen. In dieser Disziplin spielen die Entwickler von Arkane die volle Bandbreite ihrer Markenzeichen aus, die schon Dishonored 2 auszeichneten und meiner Meinung nach zu einem der besten Spiele des letzten Jahrzehnts machten.
Bleiben wir hierfür kurz beim Beispiel der schon mehrfach angesprochenen Party im Anwesen am Stadtrand: Um euch Zutritt zu verschaffen, könnt ihr euch an den Wachen am Eingang einfach durchballern. Oder ihr versteckt euch in der Nähe, hackt den Geschützturm und lasst diesen die Drecksarbeit für euch erledigen. Habt ihr den Unsichtbarkeits-Zauber dabei, könnt ihr auch einfach an ihnen vorbeispazieren, als wärt ihr Luft.
Allerdings erwartet euch hinter dem Eingang der Innenhof mit dem versammelten Partyvolk. Schlauer ist es daher, eine gänzlich andere Route zu wählen. An der Seite des Gebäudes führt ein schmaler Klippenpfad zu einem Hintereingang in den Weinkeller. Oder ihr teleportiert euch auf eine der riesigen Werbeplakate und von dort aufs Dach.
Drinnen angekommen, gilt es, eure Zielperson ausfindig zu machen, an den Wachen und Partygästen vorbei zu gelangen und einen günstigen Moment abzupassen, in dem ihr zuschlagen könnt. Selbstverständlich ist der direkte Weg dabei meist der schlechteste, und häufig müssen noch Rätsel gelöst, Geheimnisse gelüftet oder Informationen aus anderen Zeitschleifen gefunden werden, um das Vorhaben mit Erfolg zu krönen.
Wie schon seine Vorgänger im Geiste - Dishonored und Prey -, folgt auch Deathloop der Philosphie seiner Entwickler: „Spiel, wie du willst“. Was soviel bedeutet wie: Ihr könnt schleichen, heimliche Wege über die Dächer nehmen und Gegner lautlos von hinten ausschalten. Oder ihr ballert euch tollwütig durch die Straßen und zerschmettert Gegner mit eurer Telekinese-Fähigkeit. Denn auch die spektakulären „Zauber“-Fähigkeiten aus Dishonored erfahren in Deathloop ein Comeback, etwa die Teleportation, mit der ihr euch in Windeseile auf Dächer und Vorsprünge katapultiert, temporäre Unsichtbarkeit oder ein schützendes Kraftfeld für den Kampf. Auch ein Berserker-Zauber für erhöhten Schaden oder das aus Dishonored bekannte telepathische Verbinden mehrerer Gegner sind am Start, bei dem sämtliche Gegner in der Nähe tot umfallen, wenn ihr einen von ihnen ausschaltet.
Prepare To Die
Erbeutete Waffen und Fähigkeiten nehmt ihr übrigens in jeden weiteren Loop mit. Vorausgesetzt ihr „kauft“ sie nach erfolgreicher Mission mit der Währung Residuum, einer Art Zeitstaub, der Gegenstände gewissermaßen temporal konserviert und dauerhaft eurem Inventar hinzufügt. Dadurch powert ihr euch nach und nach immer mehr fürs große Finale auf.
Es sei denn ihr sterbt in einer Mission drei Mal – dann ist alles Loot aus dem aktuellen Kapitel futsch und ihr müsst es von vorne beginnen. Ihr hört die Nachtigall sicherlich schon trapsen: offenbar ist auch an den Entwicklern bei Arkane der Trend nicht spurlos vorbeigegangen, den gefühlt jedes zweite größere Spiel heute befällt, in irgendeiner Art und Weise Dark Souls nacheifern zu wollen.
Doch Deathloop ist selbstverständlich kein bockschweres Soulslike-Spiel, sondern ließ sich lediglich bei der ein, aber auch anderen Spielmechanik davon inspirieren. Wenn ihr sterbt, müsst ihr nicht sofort den kompletten Abschnitt wieder von vorne beginnen. Stattdessen werdet ihr in nicht allzu ferner Nähe direkt wiederbelebt. Wie in Dark Souls die „Seelen“ müsst ihr nun aber alles in der aktuellen Mission erbeutete Residuum am Ort eures Ablebens wieder einsammeln, damit es nicht verloren geht.
Zwei Mal pro Mission könnt ihr auf diese Weise sterben, ohne dass dies nachteilige Konsequenzen hat. Beim dritten Mal gilt der Level als gescheitert und ihr erwacht am Anfang der Zeitschleife erneut am Strand auf – was ebenfalls nicht allzu schlimm ist, denn wenn ihr das Spielprinzip bis hierhin halbwegs verstanden habt, dann wisst ihr, dass ihr dadurch das Spiel keineswegs wieder komplett von vorne beginnen müsst. Sämtliche jemals erhaltenen Informationen und damit der wesentliche Story-Fortschritt bleiben euch erhalten. Auch könnt ihr die Zeit sofort vorspulen, um den soeben verlorenen Level erneut zu beginnen. Allerdings müsst ihr diesen dann eben nochmal von vorne spielen, während sämtliches zuletzt erbeutete Residuum, sowie Waffen und Ausrüstung verloren sind – was mitunter ziemlich nerven kann, aber dazu gleich nochmal.
Widmen wir uns schnell noch einem weiteren Spielelement, das sich Deathloop von Dark Souls abgeschaut hat: die Invasionen. Während ihr als Colt nämlich den „Loop brechen“ wollt, will euch die rätselhafte Julianna genau daran hindern, die ihr sicherlich schon aus den zahllosen Trailern kennt. Sie taucht in regelmäßigen Abständen aus heiterem Himmel auf und macht Jagd auf euch. Da Julianna dabei genau wie Colt Superkräfte einsetzt, erweist sich jede Auseinandersetzung mit ihr als Duell auf Augenhöhe. Wie in Dark Souls können solche Invasionen von der KI, optional aber auch auch online von einem anderen Spieler übernommen werden.
Zum Glück nehmen sie im Gesamterlebnis von Deathloop - anders als man nach den zahlreichen Trailern erwarten könnte - nur einen winzigen Stellenwert ein. Denn wenngleich die Invasionen gottlob recht selten auftreten und eine ständige Anspannung erzeugen, die dem Spielgeschehen einen zusätzlichen Kick verpassen soll, hätte ich auf dieses Feature auch verzichten können. Akribisch ein nahezu perfektes Attentat geplant und vorbereitet zu haben, nur um dann im unpassenden Moment mit der Meldung „Julianna ist auf der Jagd nach dir“ zu wissen, dass gleich alles wieder zunichte sein kann, mag mitunter durchaus Nervenkitzel erzeugen, oftmals aber schon echt nerven.
Genau wie sämtliche anderen von Dark Souls inspirierten Spielelemente. Soulslike-Mechaniken haben meiner Meinung nach grundsätzlich nichts in einem Spiel zu suchen, das zu einem nicht geringen Teil aus Schleichen besteht und in dem daher jeder noch so kleine Fehler dazu führen kann, dass man mehrere Minuten hart erarbeiteten Spielfortschritt verliert. Erst recht, wenn dies geschieht, weil die KI trotz 50 Meter Entfernung und einer dicken Wand zwischen ihr und mir der Meinung ist, mich dennoch sehen zu können.
Selbst eine Schnellspeichern-Funktion verweigern die Entwickler, weil sie den Spieler offenbar zu planvollem Vorgehen anhalten möchten und nicht zu starrsinnigem Trial & Error. Wenn ich dann aber bestimmte Abschnitte wiederholt spielen muss und dabei womöglich sogar sehr wertvollen Loot verliere, weil irgendeine Kleinigkeit kurz vor Ende schiefgegangen ist, wandelt sich Lust irgendwann in Frust. Wer Deathloop wie einen Shooter spielt, hat damit weniger Probleme – doch sollte das eigentlich nicht Sinn der Sache sein. Vielleicht arbeiten die Entwickler aber nach Release noch etwas an Balancing und KI, um diesen Kritikpunkt abzuschwächen.
Ein Meisterwerk, das im Detail zu viel will
Deathloop ist die konsequente Weiterentwicklung der genialen Gameplay-Philosophie, die Arkane mit Dishonored 2 perfektionierte. Mit Deathloop scheinen die Entwickler ihren bislang größten Geniestreich nicht wiederholen, sondern neu erfinden, ihn gar übertreffen, auf ein völlig neues Level hieven zu wollen. In mancherlei Hinsicht gelingt ihnen das sogar. Vor allem in der brillanten Zeitschleifen-Prämisse, die allein für sich schon fasziniert. Oder auch den raffinierten Outer-Wilds-Einflüssen, die aus einem vordergründigen Actionspiel im Herzen ein Krimi-Puzzle machen. Deathloop ist in jeder Pore das Wirken wahrer Spieldesign-Meister anzumerken, die mit Deathloop ganz offensichtlich das Unmögliche versuchen, nämlich sich selbst zu übertreffen – und sich dabei so sehr anstrengen, dass sie am Ende zu viel wollen und in der einen oder anderen Hinsicht falsche Entscheidungen treffen.
Neben den erwähnten Souls-Anleihen meine ich damit vor allem das ausufernde Backtracking. Wenngleich sich die Missionsziele und Tageszeiten ändern und man selbst nach vielen Stunden plötzlich noch Geheimnisse lüftet, von denen man vorher gar nicht wusste, dass sie existieren – irgendwann sind starke Ermüdungserscheinungen spürbar, wenn man zum x-ten Male den gleichen Weg durch die ganze Stadt zurücklegen muss oder schon wieder ins Anwesen des Partylöwen einbricht, weil es dort wieder was Neues zu entdecken gibt. Gerade auch im Hinblick auf den finalen perfekten Run hätte ich mir hierfür pfiffige Abkürzungen (in diesem Falle sehr gerne nach Dark-Souls-/Metroidvania-Vorbild) gewünscht, die tretmühlenartige Wiederholungen vermeiden.
In dem Zusammenhang kann ich auch die Entscheidung der Entwickler nicht ganz nachvollziehen, dass man stets nur maximal zwei seiner Superkräfte ausrüsten darf. Sehr wahrscheinlich wollen sie dadurch verhindern, dass man sich unbesiegbar overpowered. Allerdings muss ich mich deswegen schon vor Missionsbeginn auf eine bestimmte Vorgehensweise festlegen – und würde mich doch lieber wie in Dishonored stets der individuellen Situation anpassen. Liebend gerne wäre ich dabei im Endgame durchaus völlig overpowered, denn schlussendlich geht es in Deathloop ja genau darum: dass ich am Anfang heimlich wie ein Detektiv die Spuren lese – und am Ende wie ein tosender Teufel die Schicksale aller besiegele.
Ein paar weitere Spieldesign-Spitzfindigkeiten bewirken letztendlich jedenfalls, dass Deathloop in meiner Gunst nicht ganz an die Qualität der vorherigen Meisterwerke Dishonored 2 und Prey heranreicht: etwa der im Vergleich zu diesen Spielen etwas weniger raffinierte Level-Aufbau, die mitunter erstaunlich anspruchsvollen, aber vom Rest des Spiels etwas entkoppelt wirkenden Nebenaufgaben oder die Erkenntnis, dass aus der Zeitschleifen-Prämisse letztlich doch noch ein wenig mehr rauszuholen gewesen wäre. Dass der finale Run letztlich doch auf ein kleines Roguelike-Intermezzo hinausläuft und nicht auf einen raffinierten Kniff, wiegt wie eine Enttäuschung.
Grafik-Extravaganza
Grafisch ist Deathloop vor allem wegen seines einzigartigen Stils ein einziger Rausch für die Sinne. Wer sich das Spiel der Exklusivität für PS5 (und PC) wegen kauft und sich ein Technik-Protzstück seiner neuen Next-Gen-Konsole erhofft, dürfte enttäuscht werden. Deathloop läuft flüssig in 60 FPS, bietet hin und wieder hübsche Lichteffekte und beeindruckende Weitsicht, doch nie hat man das Gefühl, das Gezeigte nicht in annähernd vergleichbarer Qualität auch auf einer PS4 erleben zu können. Dafür weiß man die kurzen Ladezeiten (ca. 5 Sekunden) beim häufigen Hin- und Herreisen zwischen Raum und Zeit schon bald sehr zu schätzen, wenngleich sie von der Wunschvorstellung einer Zukunft ohne Ladebildschirme spürbar entfernt sind.
Woran man sich jedoch kaum sattsehen kann, ist der außergewöhnliche, extravagante Stil des Spiels. Was dem einen oder anderen beim flüchtigen Blick in einen Trailer womöglich noch einen Tick zu schrill und spleenig vorkommen mag, ergibt im Spiel ein vollkommen schlüssiges, künstlerisches Gesamtkonzept, das allein durch seine überbordende Kreativität den Spieler dazu ermutigt, die Welt zu erkunden, weil jede Ecke ein visuelles Bonmont, eine witzige Geschichte oder ein kleines Design-Kunstwerk beherbergen könnte und dem irren Geschehen weniger bloßer Schauplatz ist als vielmehr schillernde Bühne: das Vergnügungsviertel am Hafen etwa stellt keinen verruchten Rotlichtbezirk dar, sondern eine surreale Kirmes mit Kuriositätenkabinett und Geisterbahn. Und das Haus des verrückten Wissenschaftlers ist keine Trutzburg des Schreckens, sondern irrlichternde Kulisse für ein kunterbuntes Sci-Fi-Rollenspiel samt handgemalten Pappaufstellern von Aliens und Raumfahrern.
Deathloop ist pure Spieldesign-Kunst. Und alles in der Welt von Deathloop ist in irgendeiner Art und Weise Kunst. Ja, die Zeitschleife selbst ist im Grunde ein einziges großes Happening. Ein Happening, das keine Grenzen mehr kennt, weder die von Raum und Zeit, noch die von Leben und Tod. Alle Bewohner von Blackreef sind an sich lebende Kunstwerke; sie tragen seltsame Masken – von Wölfen oder Schaufensterpuppen – und schrille Klamotten, inszenieren sich einen ganzen Tag lang selbst wie eine Truppe von Schaustellern und Paradiesvögeln. Und sie leben, als gäbe es kein Morgen – weil es den tatsächlich nicht gibt.
Es bereitet alleine schon Vergnügen, die Bewohner – die sogenannten „Eternalisten“, weil sie durch den Loop ewig leben – immer wieder dabei zu beobachten, wie sie diesen einen Tag für sich gestalten, den sie bis ans Ende der Zeit immer und immer wieder durchleben werden: die meisten damit, sich hemmungslos zu betrinken. Andere spielen den ganzen Tag ein riesiges Live-Rollenspiel. Dann wiederum tun Einige Dinge, die sie sonst niemals tun würden, weil sie unter normalen Umständen zu riskant wären: betrunken auf einem Dachgiebel zu balancieren etwa oder sich aus einer Zirkuskanone aufs Meer hinauszuschießen. Oder sich einfach mal von der Klippe in den Tod stürzen – einfach nur, um zu sehen, wie es so ist zu sterben. Am nächsten Tag beginnt schließlich alles wieder von vorne, als sei nichts geschehen.
Es ist kein Zufall, dass sich Arkane für den Look von Blackreef maßgeblich von den Swinging Sixties inspirieren ließ, dem Zeitalter des Hedonismus, von Drogen und dem Streben nach Selbstbestimmung und -erkenntnis, in dem die Kunst alles durfte und alles probierte, Hauptsache nicht trist und langweilig: grelle Farben und futuristische Stromlinien, bunte Muster und blinkende Technik, deren Inbegriff surrende Magnetspulen und monströse Antennen bilden. Es ist das Zeitalter von James Bond, Shaft und Mit Schirm, Charme und Melone, aber auch von Austin Powers und No One Lives Forever, irgendwas zwischen peinlich übertriebener Exzentrik und unverschämt zeitloser Eleganz. Genau wie Deathloop.
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