Test - Dead Rising 4 : Brutal und abgedreht: Statt auf dem Index jetzt im Test
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Fallakte Dead Rising 4. Ich habe mich schlussendlich dazu entschieden, meine wissenschaftlichen Ergebnisse auch mit den an Psychologie interessierten deutschen Bewunderern meiner Arbeit zu teilen. Ursprünglich war ich davon überzeugt, die Ausführungen über Patient Frank West und dessen Geschichten könnten für diese Region zu brutal und verstörend anmuten. Ich kam jedoch zu dem Schluss, dass wir es hier mit einer verdrehten Weltanschauung eines kranken Mannes zu tun haben, die zu skurril und realitätsfremd ist, als dass irgendwer sich ernsthaft an den Details stören könnte.
Beleuchten wir die Person Frank West doch einmal etwas genauer. Wir haben es hier mit einem Mann zu tun, der unter krankhaften Wahnvorstellungen leidet, deutliche Anzeichen eines Psychopathen aufweist und unter schwerer multipler Persönlichkeitsstörung leidet. Schon seit Jahren quälen ihn Geschichten aus einer Vergangenheit, die sich so nie zugetragen hat. Eine Welt am Abgrund, die einen Helden wider Willen brauchte, um von ihm errettet zu werden. Stets auf der verzweifelten und übermäßig bemühten Suche nach Anerkennung, sah Herr West hier eine Lücke, die er zu füllen hatte.
Phase 1: Verdrehte Welten
Frank West sah sich selbst stets als einen Mann, der im Mittelpunkt zu stehen hat. Da er jedoch nicht über das Selbstvertrauen verfügt, diese Position auch zu erreichen, konstruierte er in seinem Verstand Szenarien, in denen er gebraucht wird. So konnte er sich zynisch distanziert und uninteressiert zeigen, gleichzeitig jedoch sich und der Welt vorgaukeln, gegen seinen Willen und nicht aus eigenen Stücken heldenhaft zu handeln. Schon einige Male verlor er sich so in monströsen Geschichten voller Gewalt, die einen Blick auf die wahre Natur dieses Patienten erlauben.
Leider hat Herr West in den letzten Jahren kaum Fortschritte gemacht und sich bis heute geweigert, seine Heldenmär auch nur geringfügig zu ändern. Um einen Grund zu haben, mich in meiner Praxis aufzusuchen, denkt er sich zwar stets neue, völlig unsinnige Plots aus, die ihm die Aufmerksamkeit bescheren, nach der er sich sehnt, doch mündet jede neue Geschichte darin, lediglich eine Kopie dessen zu sein, was er sich vor geraumer Zeit bereits als Rückzugsort erdacht hat.
In diesem Jahr sehe ich nur eine Veränderung, und zwar einen steilen Weg bergab. West hält sich nicht mehr an Logik und Kontinuität, sondern beschränkt sich darauf, dem geneigten Zuhörer zu vermitteln, wie unfreiwillig heldenhaft er gehandelt hat und wie unentbehrlich seine Fähigkeiten für die Welt sind. Stets bereit, sich selbst zu denunzieren – ein Produkt seines Minderwertigkeitskomplexes -, jedoch gleichzeitig darauf bedacht, seine eigene Größe deutlich zu betonen.
Dieses Theater ist so eintönig, dass es sich seit seinem ersten Besuch hier kaum geändert hat. Die Regierung verschwört sich gegen den normalen Bürger und Frank West taucht als Retter mit schimmernder Kamera auf und beschützt die Welt bei seinem Versuch, möglichst viel Geld zu verdienen. Auf übermenschliche Art und Weise und mit barbarischer Blutgier tötet er unzählige Zombies. Seine Fantasie dabei ist überaus beeindruckend, fallen ihm doch immer wieder neue Methoden und abgedrehte Konstruktionen ein, um diese Aufgabe zu erfüllen.
Doch West legt in letzter Zeit eine deutliche Lethargie an den Tag und einen erhöhten Druck, sein tägliches Lob und die von ihm geforderte Dosis Aufmerksamkeit zu erhalten. Dadurch bleibt ihm kaum noch Zeit, sich auf Dinge zu konzentrieren, die seine Märchen auch nur im Entferntesten glaubhaft machen könnten. So hat er mir über mehrere Stunden lediglich davon berichtet, wie er tötet, Objekte einsammelt, die nur in seiner Realität von Bedeutung sind, und seine Reise mit Figuren ausschmückt, die oberflächlich und zweidimensional wirken.
Früher hatte Herr West eine gewisse Gabe, in seine verdrehte imaginäre Welt äußerst interessante, wenn auch verstörende Personen einzubauen. Diese gefährlichen „Irren“ waren für mich persönlich einst ein Höhepunkt seiner Erzählungen, sind heute aber kaum mehr als eine Randnotiz in seinem Konstrukt. Lieblos zusammengeschustert und ohne jeden Mehrwert. Er hält sich nicht mehr mit den Kleinigkeiten auf, wie er im Detail einen Überlebenden in Sicherheit gebracht hat. Das können sie scheinbar ganz alleine und ohne seine Hilfe. Ich bezweifle jedoch, dass das auf eine Heilung des Patienten hindeutet.
Im Großen und Ganzen hat er mir immer wieder das Gleiche erzählt. Wenn ich ihn auch ein wenig für seine Fantasie und Hingabe bewundere, mit der er den roten Faden seiner Erzählungen verfolgt und wie motiviert er seine Hirngespinste vorträgt, so wird doch gleichzeitig deutlich, dass sich Frank nur noch dafür zu begeistern scheint, seinen geneigten Zuhörern das zu geben, was ihnen in der Vergangenheit am besten gefallen hat. Er verschwendet kaum beziehungsweise sogar gar keine Energie mehr auf solche Abschnitte in seinem Drehbuch, die nicht hundertprozentig zum erwünschten Erfolg und zu Begeisterungsstürmen führen.
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