Test - Bayonetta : Letzter Wille: Frau mit Brille
- PS3
- X360
Hexen, Haare, Pistolenstilettos, Domina ... klingt ziemlich abgedreht. Bayonetta abgedreht zu nennen, wäre allerdings glatt untertrieben. Was hier auf dem Bildschirm abgeht, lässt sich am ehesten als ein Gaga-Drogentrip eines japanischen Comic-Nerds während eines missglückten Discobesuchs beschreiben. Die schräge Welt des Spiels spottet jeder Beschreibung, schwankt stattdessen wild zwischen Mafia, Gaga-Universum, Fantasy-Epos, B-Movie-Trash und Manga mit eine Prise Asia-Gothic-Design und vor allem vielen kitschigen Religionsmotiven.
Die Hexe tritt nämlich meist gegen Engelsgestalten an, wobei sich euch sogar bissige Engelshunde und fliegende pausbackige Flügelkinderköpfe in den Weg stellen. Bildschirmfüllende Zwischenbosse gibt es natürlich auch. Nur verputzt Bayonetta solche himmlische Gesellen trotz ihrer Wespentaille locker zum Frühstück. Fordernder sind da schon Duelle gegen haushohe Monster wie etwa zweiköpfige Drachen, Riesenschlangen oder Flugschiffe.
Flirtende Blicke in Richtung Dante
Eine besonders hartnäckige Gegnerin stellt allerdings eine kühle Blondine dar, die genau dieselben Moves draufhat wie Bayonetta. Um wen es sich hierbei handelt, wollen wir euch nicht verraten. Allerdings ist die Hintergrundgeschichte von Segas Fantasy-Action ohnehin schwierig zu verstehen. Bayonetta wurde vor 20 Jahren aus einem im See versenkten Sarg befreit und hat das Gedächtnis verloren. Was es mit der recht komplexen Mythologie der Geschichte auf sich hat, entfaltet sich erst nach und nach. Genauso schräg wie die sonstige Action fallen auch die Zwischensequenzen aus, die nicht nur zahlreich sind, sondern auch von atemberaubenden Filmchen in bester Actionfilmmanier bis zu nebulösen Dialogen in skurriler Standbildästhetik reichen.
Wie schon erwähnt bedient sich Bayonetta kräftig bei Devil May Cry. Vor allem der aktuelle vierte Teil wird häufig zitiert. Selbst das Engelsthema und der Kampf zwischen Himmel und Hölle erinnern schwer an Dantes letztes Abenteuer. Aber auch Szenen wie eine europäische Küstenstadt, eine Art Freizeitpark oder das Auftauchen eines Doppelgängers kommen einem verdächtig bekannt vor. Während Bayonetta mit dem Kampfsystem auftrumpft, punktet die Konkurrenz mit dem etwas spannenderen Leveldesign. Das Hexenepos ist nämlich noch geradliniger und hat eine noch geringere Rätseldichte als die Konkurrenz. Vom Umfang her fällt Segas Actionausflug etwas kurz aus: Ihr braucht bis zum Abspann sechs bis acht Stunden, danach lockt das Freischalten zahlreicher weiterer Extras inklusive sexy Outfits zum mehrmaligen Durchspielen.
Prächtig hektische Inszenierung
Schon Devil May Cry 4 sah gut aus, die Optik von Bayonetta übertrumpft diese aber ohne Schwierigkeiten. In seinen besten Momenten sieht der Actiontitel atemberaubend gut aus. Knackige Texturen, verschwenderische Interieurs und fulminant eingesetzte Spezialeffekte verwöhnen das Auge. Gerade in den Kämpfen explodiert der Bildschirm förmlich. Ein besonderes Highlight sind aber die Charaktere, die enorm detailliert ausgefallen sind und wunderbar animiert wurden - allen voran natürlich die Heldin des Spiels. Bei der ganzen visuellen Opulenz wollen wir allerdings nicht verschweigen, dass manchmal unschönes Tearing, vereinzelte Matschtexturen und häufige Slowdowns den Gesamteindruck ein wenig trüben. Des Weiteren sind einige der 15 Kapitel visuell seltsam schwach, zum Beispiel eine öde Felsenhöhle.
Immerhin wird euch nie langweilig: Ständig wechselt das Geschehen zwischen fetzigen Kämpfen, spektakulären Bossfights, coolen Zwischensequenzen, Minispielen, (eher seltenen) Quick-Time-Events, einer Hüpf-Herausforderung, einem kleinen Rätsel, einem beherzten Wandlauf oder beispielsweise der Flucht vor einer Lavaflut und einem Flug durch die Lüfte. Dagegen ist es doch recht gewöhnungsbedürftig, bei der ganzen Action den Überblick zu behalten. Nicht selten arten die Kämpfe nämlich in chaotische Hektik aus und so mancher feindliche Treffer geht auf die Kappe der nicht immer optimalen Perspektivenführung.
Fast noch abgedrehter als die Action und die Inszenierung fällt die Musikuntermalung aus. Hier kann man allerdings nur sagen: zu viel des Guten. Die Melodien mit ihrem kruden Mix aus Kirchenchor, Jazz, Rockgedudel und Japano-Pop hat Kopfschmerzpotenzial. Die Soundeffekte und die englische Sprachausgabe gehen jedoch in Ordnung, die Bildschirmtexte wurden leider unvollständig ins Deutsche übersetzt.
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