Test - Undertale : Der Hit, der aus dem Nichts kam
- PC
Jeder, der sich irgendwann in seinem Leben durch ein klassisches Rollenspiel gebissen und Hunderte von Kreaturen ausgelöscht hat, der fragt sich insgeheim: “Mensch, warum immer diese Gewalt? Kann man das nicht mal freundlich ausdiskutieren?“ Undertale ist der Versuch, euch genau diese Möglichkeit zu geben.
Es fängt alles ganz harmlos an: Ihr seid ein Mensch, der versehentlich in das Reich der Monster gefallen ist. Euer vordergründiges Ziel besteht darin, wieder zurück an die Oberfläche zu gelangen. Das ist jedoch einfacher gesagt als getan, denn eine magische Barriere schließt jedwede Rückkehr aus. So viel sei verraten: Natürlich gibt es eine Möglichkeit. Jedoch fordert sie einen hohen Preis.
Ein Blick auf die Bilder dürfte für viel Geschrei und Gelächter sorgen: Das soll ein Spiel aus dem Jahre 2015 sein, für das man auch noch 10 Euro ausgeben muss? Der Anfang ist an Infantilität nicht zu überbieten: Anstatt von knackigen Rätseln oder bösartigen Monstern herausgefordert zu werden, werdet ihr von einer Kreatur namens Toriel bemuttert und buchstäblich an der Hand geführt. Rein aus Sorge, euch könnte etwas passieren.
Von einem, der auszog, die Monster das Kuscheln zu lehren
Ihr lernt auch gleich die wichtigste Lektion von Undertale: Sobald euch der erste “gefährliche“ Frosch angreift, könnt ihr ihn entweder auf klassische Weise schnetzeln oder ihm ein Kompliment (!) machen. Daraufhin fühlt er sich geschmeichelt und gibt euch die Chance, den “Kampf“ auf friedliche Weise zu beenden.
Diese auf den ersten Blick völlig beknackte Idee zieht sich durch das gesamte Spiel, wobei die möglichen Aktionen je nach Gegnertyp variieren. Einmal müsst ihr den Feind umarmen, ein andermal streicheln, necken oder in einem spielerischen Wettbewerb eure Muskeln spielen lassen. Es gibt für jedes Monster eine bestimmte Vorgehensweise, woraufhin es nicht mehr mit euch kämpfen will und ihr das Gefecht friedlich beenden könnt. Wenn ihr das denn wollt.
Von super leicht bis fast unmöglich
Zuvor müsst ihr natürlich mit Gegenwehr rechnen, wobei hier die zweite Besonderheit von Undertale ins Spiel kommt: Bei jeder Attacke steuert ihr ein kleines Herz, mit dem ihr den gegnerischen Angriffen ausweichen sollt. Mal fliegen euch Pfeile um die Ohren, mal müsst ihr Feuerbällen ausweichen, mal schnappt ein kleiner Hund nach euch.
Was anfangs noch unglaublich simpel aussieht, entwickelt sich im Laufe des Spiels zu einer immer härteren Herausforderung und überrascht euch bis zum Ende mit neuen Gemeinheiten. Insbesondere die zahlreichen Endgegner triezen euch mit eigens aufgestellten Regeln: Beispielsweise könnt ihr euer Herz nur auf fest vorgegebenen Linien bewegen oder müsst den Angriffen mit gut getimten Sprüngen ausweichen. Ebenfalls trickreich sind die türkis- und die orangefarbenen Attacken: Erstere schaden euch, wenn ihr euch bewegt, und letztere, wenn ihr stillsteht.
Dazu kommt eine absolut brillante Story, die in Sachen Dialoge und Charakter-Design zur Eliteklasse gehört. Zunächst kippt der anfangs unschuldig wirkende Tonfall mit der Begegnung zweier Skelettbrüder ins Humorvolle und Groteske. Danach lernt ihr ein skurriles Monster nach dem anderen kennen, die euch insbesondere dann, wenn ihr sie verschont anstatt bekämpft, schnell ans Herz wachsen. Zu guter Letzt wird die Geschichte richtig dramatisch und gipfelt gar in mehreren Metaebenen. Dazu kommt ein ganzer Sack voller nerdiger Gags, die besonders Kennern alter japanischer Rollenspiele gefallen dürften.
Weniger ist manchmal mehr
Die Spieldauer beläuft sich auf ungefähr acht Stunden, was sich nach sehr wenig anhört. Jedoch täuscht dies: Zum einen nervt euch Undertale im Gegensatz zu vielen seiner Genrekollegen nicht mit ewig vielen Zufallskämpfen. Zum anderen gibt es drei unterschiedliche Enden, für die ihr das Spiel mindestens zweimal auf völlig verschiedene Weise spielen müsst.
Das eine der beiden Enden stellt die gesamte Geschichte auf den Kopf und wartet mit einem brutal schweren Endkampf auf, der ein Gefecht gegen einen Boss aus Dark Souls wie einen Kindergeburtstag aussehen lässt. Spätestens dort feiern aufgrund des radikal veränderten Tonfalls eure Emotionen endgültig Party.
Unvergleichlich guter Soundtrack
Während die Grafik auf den ersten Blick arg simpel aussieht und oberflächlich betrachtet die große Schwachstelle darstellt, ist der Soundtrack einer für die Geschichtsbücher. Bereits das Standardkampfthema hört sich herrlich verspielt an und trägt maßgeblich zur Motivation bei. Danach steigt die Qualität dramatisch mit jeder weiteren Endgegnermusik. Entwickler und Komponist Toby Fox deutet viele seiner Melodien zunächst mit piepsigen Chiptune-Elementen an und addiert kurz darauf ein sattes Schlagzeug, ein flottes Klavier oder gar ein kleines virtuelles Orchester.
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