Test - The Walking Dead: Season 2 – Episode 4: Amid the Ruins : Gnadenlose Zerreißprobe
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Würde man die Handlung von The Walking Dead kurz zusammenfassen, klänge es fast langweilig. Clementine, ein junges Mädchen, stolpert inmitten einer Zombie-Apokalypse von einer Katastrophe in die nächste. Doch Telltale liefert keine öde Zombie-Geschichte ab, sondern garniert diese mit facettenreichen Charakteren, interessanten Dialogen, sich entwickelnden Persönlichkeiten und schwerwiegenden Entscheidungen. Die vierte Episode, benannt Amid the Ruins, treibt dieses Psycho-Spiel weiter voran.
Amid the Ruins setzt dort auf, wo die dritte Episode endete: inmitten einer Horde Walker. Sicher, Clementine gelingt nach einer Reihe der bekannten Action-Quicktime-Sequenzen die Flucht, doch hinterlassen die Ereignisse ihre Spuren. Die Gruppe wird erneut getrennt, was zu einigen Rettungsaktionen führt, bei denen die in letzter Zeit etwas spärlich vertretenen Walker wieder mehr Auftritte haben. Doch was die Walker bisher nicht erreicht haben, schaffte Carver in der dritten Episode spielend. Nämlich die Gruppe endgültig an ihre psychischen Grenzen zu treiben und jeden Einzelnen an den schmalen Abgrund zum Wahnsinn zu stellen.
Jeder hat dabei sein Päckchen zu tragen. Sei es Kenny, erneut von einem schweren Verlust gebeutelt. Die hochschwangere Rebecca oder die traumatisierte Sarah. Clementine hingegen wird immer erwachsener und hat mit ganz anderen Problemen zu kämpfen. Bereits Carver hielt ihr den Spiegel mit dem Abbild ihrer dunklen Seite vor die Nase. Die äußerlich taffe Jane bringt unsere junge Dame dazu, umso mehr zum grübeln und sich die Frage zu stellen, ob der alleinige Weg nicht doch dem der Gruppe vorzuziehen ist und wie viel man opfern sollte, um anderen zu helfen. Eine interessante Bereicherung für die Gruppe.
Der Tod hingegen wird immer mehr zum allgegenwärtigen Bestandteil. Wurden in früheren Episoden noch Verluste innerhalb der Gruppe mit viel Pathos zelebriert, werden sie mehr und mehr zur alltäglichen Selbstverständlichkeit und verblassen zwischen den Konflikten der Charaktere innerhalb der Gruppe und den mittlerweile überlebenswichtigen Entscheidungen. Clementine wird dabei mehr und mehr zum agierenden, anstatt zum reagierenden Faktor. Zumal die Gruppe keinen echten Anführer hat. Das tut dem spielerischen Element gut, denn es gibt deutlich mehr Interaktion, mehr Kämpfe und mehr Entscheidungen mit ungeahnter Tragweite.
Mehr denn je stellt man sich die Frage, was passiert wäre, wenn man sich anders entschieden hätte in der einen oder anderen Situation. Auch, wenn die Entscheidungen wieder nur Facetten verändern und nicht den ganzen Verlauf. Zudem wird der Umgang mit den Gruppenmitgliedern durch deren psychischen und körperlichen Zustand immer schwieriger. War es bisher noch relativ leicht, eine Balance zu finden und eindeutige Entscheidungen zu treffen, so ist das spätestens jetzt nicht mehr der Fall. Über allem schwebt die allgemeine, deprimierende Hoffnungslosigkeit, denn nahezu auf jeden Lichtblick folgt eine neuerliche Katastrophe.
Das allerdings ist ein schmaler Grat, denn man neigt mit der Zeit dazu, Entscheidungen nicht mehr zu überdenken. Denn egal, was man tut, es folgt ohnehin nur ein weiterer Niederschlag. Telltale muss ein wenig aufpassen, diesen Grad nicht zu überschreiten. Zwar hilft es, die Situation der Überlebenden zu verstehen, aber es macht manche Dinge auch etwas zu einfach und sorgt für eine gewisse Gleichgültigkeit beim Spieler, der sich seines Einflusses beraubt fühlt. Ähnliches gilt für die gewohnt guten Dialoge, die leider hin und wieder etwas zu sehr in gefühlsduseligem Pathos versanden. Ärgerlich: zum Ende hin gibt es, bestimmte Antworten vorausgesetzt, einen Logikfehler in den Dialogen. der verändert zwar nicht den Handlungsablauf, ist aber eine unschöne Macke.
Unabhängig davon wartet Telltale Games erneut mit einigen fiesen Überraschungen auf, natürlich auch am Schluss der Episode mit einem weiteren fiesen Cliffhanger. Die abwechslungsreiche Mischung aus Action-Sequenzen, Dialogen und Adventure-Bestandteilen weiß zu gefallen und hält, auch dank der straffen Erzählweise, das Tempo und die Spannung auf einem erneut hohen Niveau. Wir sind mehr als gespannt, wie Telltale dieses Epos zu einem (vermutlich garstigen und deprimierenden) Ende bringen wird.
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