Test - Stories Untold : Horror wie aus den 80ern
- PC
80er-Jahre-Text-Adventure trifft Point & Click und Walking Simulator – Stories Untold greift einen Mix aus derzeit beliebten Indie-Genres auf, überzieht das Ganze mit Stranger-Things-mäßiger Gruselatmosphäre und schafft es damit sogar, Jumpscares in ein textbasiertes Spiel zu bringen.
Im Herbst 2016 erschien das Text-Adventure The House Abandon gratis für den PC. Das kurze Abenteuer punktete nicht nur mit seiner ruhigen Gruselatmosphäre, sondern auch wegen des Soundtracks, der stark an die erst kurz zuvor weltweit bejubelte Netflix-Serie Stranger Things und damit an klassische Sci-Fi-Serien der 80er-Jahre erinnerte. In der Beschreibungsbox des offiziellen Trailers auf YouTube wies der Entwickler No Code darauf hin, dass The House Abandon nur eine Art Demo und eine längere Version bereits in Arbeit sei.
Nun macht No Code dieses Versprechen wahr und veröffentlicht mit Stories Untold die komplette Geschichte rund um das mysteriöse Haus. In vier Episoden wird das Abenteuer erzählt. Das circa drei Stunden lange Komplettpaket ist nicht mehr kostenlos, sondern für günstige 9,99 Euro auf Steam erhältlich. Die erste Episode, The House Abandon, ist die optisch überarbeitete Version des gleichnamigen Gratisspiels. Auch wenn ihr das bereits gespielt habt, könnt ihr nicht direkt zur zweiten springen. Jede Episode bleibt so lange gesperrt, bis ihr die vorhergehende durchgespielt habt.
Speichern? Fehlanzeige!
Leider könnt ihr mittendrin auch nicht speichern. Wer das Spiel mitten im Abenteuer ins Hauptmenü verlässt, bekommt die Warnung, dass jeglicher Fortschritt verloren geht. Erst nachdem ihr nach dem Abspann einer Episode im Hauptmenü gelandet seid, wird automatisch gespeichert. Obwohl die einzelnen Abschnitte nicht allzu lange dauern, ist Stories Untold damit kein Spiel, in das man nebenbei kurz hineinspielt, sondern für das ihr besser 30- bis 60-minütige Spielsitzungen einplant.
Wenn ihr euch jetzt fragt, wer in einer Zeit, in der wir von blutigen Massenschlachten gegen Orks bis hin zu den intimsten Momenten eines Hexers alles wunderschön visualisieren können, noch Text-Adventures spielt, dann habt ihr gar nicht so unrecht. Auch die Macher von Stories Untold sind sich dieser Problematik offensichtlich bewusst und visualisieren das Abenteuer mit einfachen, aber effektiven Mitteln. Wer denkt, Jumpscares seien in einer geschriebenen Geschichte nicht möglich, der sollte sich hier eines Besseren belehren lassen.
Auf euch allein gestellt
Es ist düster. Eine Schreibtischlampe beleuchtet vage euer Umfeld: ein alter Röhrenmonitor, ein paar Kinderbilder, eine Kaffeetasse und ein Radiowecker auf einem hölzernen Schreibtisch. An der Wand, die der Tapete nach zu urteilen aus den 70er- oder 80er-Jahren stammt, hängt ein Schnurtelefon. Viel mehr bekommt ihr im Bildausschnitt der ersten Episode nicht zu sehen, denn gespielt wird auf dem alten Monitor, der den Text der Geschichte anzeigt. Alles beginnt mit einem Ausflug zum alten Ferienhaus eurer Familie. Allein erkundet ihr das gut erhaltene Gemäuer und findet sogar euren alten Computer mit – wie sollte es anders sein – einem Text-Adventure. Von da an beginnen die Dinge schräg zu werden.
Mit Befehlen wie „look around“, „go to the backyard“ und „use key“ manövriert ihr euch durch das Haus. Eine Hilfestellung, welche Befehle funktionieren und was ihr alles tun könnt, gibt es nicht. Das ist aber auch nicht nötig. Die Steuerung von Stories Untold ist so intuitiv, dass sich auch Anfänger schnell zurechtfinden. Funktioniert ein Kommando mal nicht, versucht man eben ein anderes. Vorausgesetzt, ihr könnt gut Englisch. Denn es gibt weder deutsche Texte noch Untertitel.
Stück für Stück mehr Gameplay
In der zweiten Episode, The Lab Conduct, müsst ihr nicht mehr tippen, sondern vielmehr klicken. Ihr befindet euch in einem Labor, eine Stimme gibt euch Anweisungen und ihr müsst die Geräte vor euch bedienen. Die Befehle, die ihr zum Navigieren nutzt, sind immer noch sehr rudimentär, von Episode zu Episode kommt jedoch mehr und mehr aktives Gameplay dazu. Der Fokus liegt nun nicht mehr darauf, Dinge zu entdecken, um voranzukommen, sondern darauf, Aufgaben und Rätsel zu lösen. Die sind aber nicht übermäßig fordernd und auch in den nächsten Leveln recht leicht zu durchschauen.
Es geht in erster Line nämlich nicht ums Knobeln, wie etwa in The Room, sondern um die Atmosphäre und die Geschichte. Auch wenn Letztere anfangs noch wirkt, als gäbe es gar keine durchgängige Handlung für alle Episoden, fügt sich am Ende doch alles irgendwie zusammen. Stories Untold schafft es mit einfachsten Mitteln, mit Soundeffekten, Licht und winzigen Umgebungsausschnitten, eine fast greifbar dichte Atmosphäre aufzubauen. So malen sich auch Spieler, denen es sonst nicht liegt, Dinge selbst zu visualisieren, dank scheinbar eindeutiger Hinweise ein trügerisch klares Bild.
In den letzten beiden Episoden dürft ihr sogar von dem Stuhl aufstehen, auf den ihr zu Beginn des Spiels getackert scheint, und einige Schritte durch die Spielwelt machen. Falls ihr Angst hattet, dass ihr in Stories Untold nichts außer Buchstaben, die über den Bildschirm fliegen, zu sehen bekommt, seid beruhigt. Es gibt auch Menschen, die mit euch sprechen, piepende Radiofrequenzen und schallende Alarmsirenen. Ihr seid also nicht vollkommen allein mit eurer Fantasie. Nur so weit, dass ihr euch die Geschichte innerhalb ihres faktischen Rahmens selbst ausmalen könnt.
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