Test - Silence : Wundervolle Welt der Stille
- PC
Vor acht Jahren überraschte das bis dahin unbekannte Entwicklerstudio Daedalic Entertainment mit einer kleinen Revolution des bereits todgeweihten Adventure-Genres. Edna bricht aus war gewitzt, intelligent und brach Tabus, die niemand auf dem Schirm hatte. Es folgten zahlreiche weitere Werke, die euch zum Grübeln, zum Lachen und zum Träumen brachten und Daedalic zum wahren Erben von LucasArts machten. Weil all diese Errungenschaften den Mannen in Hamburg nicht genug sind, wagen sie mit Silence einen neuen, ungewohnten Ansatz.
Während die Kinder noch fröhlich in den verschneiten Gassen einen Schneemann bauen, hallen plötzlich lautstark die Sirenen durch die Straßen. Am Horizont nähert sich eine bedrohlich wirkende Fliegerstaffel, bereit, tödliche Bomben auf die Zivilbevölkerung regnen zu lassen. Noah und seine kleine Schwester Renie schaffen es rechtzeitig in den schützenden Bunker, noch bevor sie von den ersten Einschlägen erfasst werden. Doch leider entpuppt sich der Angriff als lang und hartnäckig, weshalb die Mauern des Gebäudes nach einer Weile einstürzen und Noah alleine unter einem Trümmerhaufen aufwacht.
Er schiebt eine schwere Steinplatte nach der anderen zur Seite und sieht plötzlich in der Ferne ein grün schimmerndes Licht, das ihn nach draußen führt. Dahinter gelangt er allerdings nicht in seine Heimatstadt, sondern nach Silence: einem Ort zwischen Leben und Tod. Auch seine Schwester Renie befindet sich inmitten der blühenden Landschaft, die vor Farben sprüht und einer märchenhaften Fantasiewelt gleicht.
Mehr möchten wir euch lieber nicht verraten, denn einer der wesentlichen Spielreize von Silence ist das Erleben einer traumhaften Geschichte. Besonders die Fans von Daedalic Entertainment dürften sämtliche Anleihen an den Vorgänger The Whispered World lieben und sich schnell heimisch fühlen. Der Entwickler beschränkt sich zwar auf vergleichsweise wenige Nebencharaktere und lässt am Ende viele ihrer Schicksale offen. Doch dafür ist die Erzählung rund um Noah und Renie umso stimmiger.
Kurz, aber nicht anspruchslos
In dem Zusammenhang sei gleich das große Manko von Silence erwähnt: Mit einer Spielzeit von ungefähr fünf Stunden ist es deutlich kürzer als alle anderen Abenteuer aus dem Hause Daedalic. Mit ein Grund ist das Rätsel-Design, das weniger auf den Profitüftler zugeschnitten ist und mehr den Genre-Neuling ansprechen soll. So gibt es kein klassisches Inventar mehr, weshalb ihr maximal zwei Objekte gleichzeitig besitzt. Oder besser gesagt: Sowohl Noah als auch Renie können nur das tragen, was auch in der realen Welt möglich wäre.
Das Konzept erinnert entfernt an Capcoms Zack & Wiki für die Wii. Jeder, der diesen Geheimtipp kennt, weiß, dass auch mit solch einer Einschränkung richtig knifflige Rätsel möglich sind. Daedalic ist zwar nicht dem gleichen Anspruch gefolgt, hat aber trotzdem ein paar spaßige Knobeleien eingebaut. Sie motivieren trotz ihrer simplen Art und leben von einer gesunden Mischung aus Trial & Error sowie logischem Nachdenken.
Zudem stoßt ihr früh auf die niedliche Raupe Spot, die sich genau wie in The Whispered World in verschiedene Formen verwandeln kann und dank dieser Fähigkeit ein wichtiger Bestandteil der komplizierteren Rätsel ist. Dies sei jedenfalls allen besorgten Adventure-Fans versichert, die nach den ersten Vorberichten einen Interactive Movie à la Telltales The Walking Dead befürchtet hatten.
Eine Präsentation zum Verlieben
Der heruntergeschraubte Anspruch und die kurze Spielzeit werden jedoch von ein paar Faktoren ausgeglichen, die im Adventure-Genre von nun an zur Referenz zählen. Besonders offensichtlich ist die Qualität der Grafik und der Präsentation im Allgemeinen: Daedalic hat es tatsächlich geschafft, das Flair der klassischen 2-D-Ansicht mit technisch nahezu perfekten Kameraschwenks zu kombinieren. Das Endergebnis ist unglaublich plastisch und lebendig, vor allem weil die Animationen zahlreich sowie verspielt sind.
Wer genau hinschaut, der entdeckt viele Details, die insbesondere in anderen Adventures vernachlässigt werden. An einer Stelle könnt ihr beispielsweise in einen Abgrund schauen, dem Daedalic extra eine eigene Perspektive inklusive einer spektakulären Ansicht spendiert hat. An einer anderen Stelle fiel uns auf, dass Noah beim Klettern über eine Brüstung mit seinem Bein gegen eine Parkbank stößt und diese ganz zaghaft wackelt. Ebenfalls originell ist der Wechsel zwischen Noah und Renie, sobald sich die beiden an unterschiedlichen Orten aufhalten: Anstatt eines schnöden Knopfes müsst ihr einen Vogel anklicken, der sich in eurer Nähe aufhält. Der fliegt dann gemeinsam mit euch von einem Protagonisten zum anderen.
Das absolute Highlight ist jedoch eine ganz spezielle Szene gegen Ende, die auf einem Schiff stattfindet und die wir aus Spoiler-Gründen nicht breittreten möchten. Dort zaubert Projektleiter Marc Hüllen mit seinem Team einen der magischsten Momente der Spielegeschichte, der sich aufgrund seiner inhaltlichen Schlichtheit und simplen Schönheit in euer Herz einbrennen wird, auf den Bildschirm .
Parallel dazu begeistert der spektakuläre Soundtrack von Tilo Alpermann, der vor allem durch seinen höchst sensiblen wie melancholischen Anstrich überzeugt und trotz Dauerberieselung zu keinem Zeitpunkt nervt. Im Gegenteil: Einer der wenigen technischen Makel, die sich Silence erlaubt, sind die relativ langen Ladezeiten. Ihr müsst im Schnitt zehn Sekunden warten, wenn ihr von einem Ort zum anderen marschiert. Doch weil Alpermanns traumhafte Musik weiterhin im Hintergrund ertönt, wird die Atmosphäre durch diese Zwangspausen nur marginal gestört.
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