Test - Grim Fandango Remastered : Der heilige Adventure-Gral?
- PS4
Tim Schafer ist eine Legende: Mit Day of the Tentacle und Grim Fandango hat er sich einen Platz im Olymp der Spielentwickler gesichert. Während die Tentakelhatz zumindest auf modernen PCs problemlos läuft, war das Abenteuer im Totenreich bislang nur mit viel Geduld und Trickserei spielbar. Doch das war einmal: Schafer persönlich arbeitete mit seinen Mannen von Double Fine Productions an einer Neuauflage, die nun für PC, PlayStation Vita und PlayStation 4 erschienen ist.
Wie sieht das Leben nach dem Tod aus? Geht es nach Grim Fandango, dann muss jeder seine eigene Reise ins Jenseits antreten. “Gute“ Menschen haben dabei Anrecht auf ein spezielles “Nummer-Neun“-Ticket, mit dem sie in einen flotten Zug einsteigen dürfen und innerhalb von vier Minuten ihren Frieden finden. Alle anderen müssen sich zu Fuß, per Auto oder Schiff auf dem Weg machen, was im Normalfall vier Jahre dauert.
Manuel Calavera war kein guter Mensch, weshalb er sich sein Ticket erst verdienen muss. Womit? Indem er wie ein Versicherungsvertreter anderen frisch Verstorbenen ihre jeweils bestmögliche Reiseption anbietet. Doch zum einen läuft das Geschäft nicht besonders gut für ihn, weil er immer nur die Versager betreuen darf, und zum anderen macht es ihn stutzig, dass selbst die vollkommen rechtschaffene Mercedes Colomar kein Anrecht auf ein “Nummer-Neun“-Ticket haben soll.
Die Krux an dieser Zwischenwelt, in der sich Calavera befindet: So mancher Tote denkt gar nicht daran, sich ins Jenseits zu verabschieden, und spekuliert viel lieber damit, vor Ort ein gemütliches “Leben nach dem Tod“ aufzubauen. Entsprechend industrialisiert wirkt die Welt mit ihren Casinos, Tattoostudios oder Bürogebäuden. Würden die Leute nicht als Skelette oder grellbunte Dämonen durch die Gegend laufen, wäre jedenfalls kaum ein Unterschied mit dem Diesseits feststellbar.
Geniestreich Storytelling
Die Welt und die Story von Grim Fandango sind mit das Faszinierendste, was das Adventure-Genre zu bieten hat. Eine solch skurrile und gleichzeitig glaubwürdige Mischung ist jedenfalls sehr selten. Zudem wird der Plot von einem äußerst attraktiven Film-Noir-Szenario ummantelt und ist mit unzähligen Anspielungen auf die aztekische sowie mexikanische Darstellung des Totenreichs gespickt.
Humor und Wortwitz sind nicht minder genial, nicht zuletzt dank des brillanten Charakter-Designs, angeführt von dem liebenswerten Antihelden Manny Calavera. Sein Charme wird durch seinen deutschen Synchronsprecher Tommi Piper verstärkt: Als das Spiel anno 1998 zum ersten Mal erschien, wurde Piper heftigst als die Stimme des kauzigen Außerirdischen Alf, bekannt aus der gleichnamigen Fernsehserie der 80er-Jahre, beworben. Heute wäre es eher gerecht, ihn als den Star aus Grim Fandango zu bezeichnen.
Deshalb ist es ausnahmsweise auch weniger tragisch, wenn nicht jedes Rätsel das glorreiche Niveau der legendären LucasArts-Ära hält. So manche Kopfnuss ist nur durch Trial & Error zu lösen, aber unterm Strich sind genügend clevere Puzzles enthalten, die selbst in der heutigen Zeit frisch und unverbraucht wirken.
Spektakuläre Musik, alte Grafik
Während der hervorragende, Jazz-lastige Soundtrack von Peter McConnell Grim Fandango akustisch einen zeitlosen Touch verleiht, ist es um die Grafik weniger gut bestellt. Das Spiel erschien in einer Zeit, als 3-D-Grafik einerseits obligatorisch war, aber andererseits noch in den Kinderschuhen steckte. Während etwas ältere 2-D-Hits auch heute noch etwas hermachen, sieht man Grim Fandango sein Alter an. Die Hintergründe und Zwischensequenzen sehen jedenfalls aufgrund ihrer groben Auflösung und der vielen Artefakte wie ein typisches Kind der 90er-Jahre aus.
Die Remastered-Version beschränkt sich darauf, die Polygonfiguren glatter und moderner erscheinen zu lassen. Doch das ist Double Fine nicht sonderlich gut gelungen, weshalb ein paar weniger wichtige Figuren für heutige Augen eher an hässliche Grafikfehler erinnern. Selbst der neue 16:9-Modus ist eine Enttäuschung, weil er das Bild entweder um zwei schlichte Balken erweitert oder es auf plumpe Weise streckt.
Ein noch viel größeres Versäumnis betrifft den Komfort: Ihr steuert Calavera wie in einem Action-Adventure direkt mit dem Stick und könnt per Knopfdruck immer nur das Objekt benutzen, neben dem er steht beziehungsweise das er gerade anvisiert. Das System war zu seiner Zeit höchst umstritten und wird bis heute von Fans der klassischen Point-&-Click-Handhabung geächtet. Wenigstens beschränkt sich das Spiel-Design auf relativ wenige Objekte, weshalb die Gefahr, etwas Wichtiges zu übersehen, recht gering ist. Wer sich also daran gewöhnt, der läuft zumindest keine Gefahr, aufgrund des Komfortmangels unnötig Steine in den Weg gelegt zu bekommen.
Technisch holprig
Das größte Problem von Grim Fandango Remastered sind die zahlreichen Bugs, die uns beim Spielen aufgefallen sind. Von kleinen Grafikfehlern über Automatiktüren, die sich nicht beim ersten Dagegenlaufen öffnen wollen, bis hin zu Abstürzen, die das Adventure komplett lahmlegen, hatten wir gefühlt jede halbe Stunde irgendein Problem technischer Natur zu beklagen. Einmal hingen wir gar in einem Fahrstuhl fest und konnten uns nicht mehr bewegen. Ein kurzes Abspeichern und Laden ergab leider, dass solch ein Bug ebenfalls gesichert wird und somit einen völlig unbrauchbaren Speicherstand hinterlassen kann. Ihr solltet es euch deshalb zweimal überlegen, ob ihr einen alten Spielstand überschreibt oder lieber einen neuen anlegt.
Zudem gibt es keine Autosave-Option (worauf euch das Spiel netterweise zu Beginn aufmerksam macht) und die Wartezeiten beim Laden und Speichern sind ungewöhnlich lang, wenn man bedenkt, dass abseits weniger Objektdaten und der aktuellen Position eurer Spielfigur kaum Informationen gesichert werden müssen.
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