Test - Botanicula : Interaktive Bilderbuchgeschichte
- PC
Mit Machinarium und der Samorost-Serie hat der tschechische Entwickler Amanita Design ein Händchen für mitreißende Rätselabenteuer bewiesen. Das bereits mit dem Independent Games Award prämierte Botanicula für Mac und PC soll sogar noch eine Schippe drauflegen - und schafft es.
Die Sonne geht auf. Ein Baum schält sich aus der Erde, dazu erklingt heitere, beinahe zum Mitschwingen animierende Musik. Es gibt keine Videosequenz, keinen Schriftzug, nur viele kleine Knospen, die im Wind tanzen. Doch die Harmonie wird jäh von einem schwarzen Farbklecks gestört. Der Himmel färbt sich purpurn, das Blattwerk verwelkt - und schon sind wir gepackt und mittendrin in einem der faszinierendsten Spiele des Abenteuergenres.
Kunst in seiner besten Form
Doch halt: Botanicula ist gar kein Abenteuer, ja, es ist noch nicht einmal ein Spiel. Vielmehr muss man das Werk von Amanita Design als interaktive Poesie betrachten; als ein in Einsen und Nullen gegossenes Bilderbuch. Immerhin gibt es weder Texte noch Dialoge. Dass wir fünf putzigen Waldmännchen dabei helfen, ihre Pflanzenheimat zu retten, erfahren wir lediglich in witzig animierten Bildwechseln. Was um uns herum passiert, müssen wir uns größtenteils aus ulkigen Brabbellauten und symbolischen Sprechblasen zusammenreimen. Das Ziel aber verliert man nie aus den Augen. Eine Geschichte so sparsam und doch so verständlich zu erzählen - das ist meisterlich.
Allerdings knausert der Titel auch mit Hilfestellungen. Ein Tutorial, Spielhinweise oder Komfortfunktionen sucht man vergeblich. Stattdessen muss man die obskuren Umgebungen nach Interaktionsmöglichkeiten absuchen und einfach experimentieren. Ein pausbäckiges Borstentier murmelt verträumt vor sich hin - das hat bestimmt etwas zu sagen. Und dem Käfer, der hilflos auf dem Rücken mit seinen Beinchen rudert, können wir bestimmt helfen. Aber wie? Das gilt es herauszufinden. Botanicula lebt von seinen überraschenden Effekten: Man klickt ein Objekt nach dem anderen an, zieht daran, dreht und schüttelt es - und wartet ab, was passiert.
Simpel, aber genial
Rätselfreunden dürfte es bereits dämmern: Anspruchsvoll klingt das ja nun nicht, denn im Grunde grast man einen Bildschirmabschnitt nach dem anderen ab. Selbst wenn es darum geht, die verschiedenen Fähigkeiten unseres Teams miteinander zu kombinieren, reicht es aus, Eichelkopf, Federvieh und Stockmännchen brav nacheinander anzuklicken. Das Gros der Rätsel löst sich demnach von alleine; erst zum Ende hin werden die grauen Zellen gefordert. Trotzdem gestaltet sich die Suche nach Hinweisen zuweilen außerordentlich mühsam. Auch weil wir ob der über 150 verschiedenen Umgebungen schnell die Orientierungen verlieren und nach einer halben Stunde nicht mehr wissen, wo wir die soeben aufgeklaubte Holzflöte nun überhaupt hinbringen müssen. Da hilft auch die nur spärlich detaillierte Karte nicht weiter.
Dennoch zaubert einem der Titel immer wieder ein Lächeln ins Gesicht. Wenn etwa ein Froschchor ein fröhliches Liedchen anstimmt und es unisono durch den Hain quakt, geht selbst dem grobschlächtigsten Rabauken das Herz auf. Zudem vergeht sich Botanicula immer wieder an bekannten Spiel- und Filmklassikern. In einem kleinen Dorf etwa müssen wir einen Bewohner im Volleyballduell schlagen, das unweigerlich an den Netzsportpausenfüller Blobby Volley erinnert. Auf diese Weise bettet Botanicula seine simplen Schiebe-, Kombinations- und Schalterrätsel mit einem Augenzwinkern geschickt in seine Handlung ein.
So klicken wir uns Bildschirm für Bildschirm unserem Ziel entgegen, stets neugierig, was wohl als Nächstes geschehen mag. Ebenso charmant wie gelungen ist auch die Inszenierung: Aus einer sagenhaft vielfältigen Klangkulisse, skurrilen, aber liebenswerten Figuren und einer bezaubernden Geschichte destilliert Botanicula ein unfassbar atmosphärisches Spielerlebnis und unterhält die ganzen fünf Stunden lang bis zum befriedigenden Finale. Das kann man nicht von vielen Spielen behaupten.
Kommentarezum Artikel